Witgert

1820: Unternehmensgründung in Ransbach

1984: Verlegung des Standortes nach Herschbach

[Bild: Michael Liebig]

Im Jahr 1820 gründete Jacob Witgert aus Ransbach im Westerwald ein Unternehmen zur Gewinnung von Tonen. Schon zur Gründerzeit war der Fliesenhersteller Simons mit Werken in Frankreich und Luxemburg wichtiger Abnehmer von Witgerts Tonen. Als Simons seine Kapazitäten ausbauen wollte, überzeugte ihn Johann-Peter Witgert, der Urenkel des Firmengründers, in Zusammenarbeit mit dem Gesellschafter Nimax ein neues Werk in Ransbach zu bauen. So begann mit der Ransbacher Mosaik- und Plattenfabrik die Industrialisierung in dem kleinen Ort.

Um die Geschäftsbeziehung zu festigen, wurde sein Sohn Peter Michael Witgert mit der Tochter des Gesellschafters Nimax verheiratet. Peter Michael leitete die Geschicke der Firma aufgrund seines frühen Todes jedoch nur kurz. Seine Witwe Ella übernahm die Geschäftsführung und übergab sie später ihrem Sohn Arno Witgert, dessen fünf Geschwister stille Teilhaber mit jeweils gleichen Anteilen waren.

War es bis 1942 üblich, Ton untertägig in primitiven Glockenschächten unter hohen Gefahren abzubauen, setzte Witgert schon vorher den ersten Seilzugbagger ein. Der selektive Tonabbau erfolgte weiterhin in Handarbeit. In den 1960er Jahren verwendete Witgert als eines der ersten Tonbergbauunternehmen Tieflöffel-Hydraulikbagger zur Tongewinnung.

Werbeschild aus dem Jahr 1913[Bild: Michael Liebig]

1956 heiratete Arno Witgert die Inhaberin des Tonbergbaubetriebs Westen, Lieselotte von Niessen, und wurde zum Geschäftsführer der Firma Westen. Aufgrund der Zusammenarbeit beider Unternehmen konnte Witgert in den 1960er Jahren mit Westens Mahltrocknungsanlage Mahltone herstellen. 1967 trat Ralph Liebig, ein Sohn von Arnos Schwester Gabriele, bei Witgert ein und übernahm das Unternehmen nur zwei Jahre später. Im Laufe der Jahre vereinigte er die Anteile der sechs Familienzweige wieder. Im Jahr 1972 gründete er in Herschbach die Manufaktur Wico Keramik für salzglasiertes Westerwälder Steinzeug. Der Ton wurde in einer kleinen Masseaufbereitung hergestellt, deren Überkapazität verkauft wurde. Bald wurde die Aufbereitung keramischer Fertigmassen zum größten Geschäftsfeld. 1984 wurden daher auch die Verwaltung und der Firmensitz nach Herschbach dorthin verlegt.

Heute führt sein Sohn Dipl.-Ing. (FH) Michael Liebig mit seiner Frau Regina Roos-Liebig das mittelständische Unternehmen mit ca. 35 Mitarbeitern in achter Generation. Liebig schloss aufgrund der Schwierigkeiten des Töpferhandwerks die Keramikmanufaktur und konzentrierte sich wieder auf das Kerngeschäft keramische Rohstoffe. Durch die gezielte Besetzung von Nischen gelang es, wieder Fuß in der keramischen Industrie zu fassen, ohne das Kunsthandwerk zu vernachlässigen. Dabei konnte der heute wichtige Feuerfestbereich neu erschlossen werden.

Aktuelle Ansicht des Firmengeländes[Bild: Michael Liebig]

Wurde früher behauptet, der Westerwald berge die hochwertigsten Tonvorkommen der Welt, so gibt es die besten Rohstoffe für bestimmte Keramiken an unterschiedlichen Standorten. Daher kauft Witgert weltweit Rohstoffe zu, um seinen Kunden die bestmöglichen Lösungen zu bieten. Das Unternehmen verfügt über die einzige Halbnassaufbereitung mittels Präzisionsfeinwalzwerk und betreibt die letzte Nassaufbereitung mit Filterpressen aller deutschen Tonbergbaubetriebe. Nach 200 Jahren Tonbergbau und knapp 50 Jahren Masseaufbereitung hat man zwischenzeitlich ein drittes Standbein durch die Vermarktung von Sekundärrohstoffen für die keramische Industrie geschaffen. Diese entstehen nahezu alle bei der Gewinnung anderer Steine und Erden als Begleitrohstoffe.

Der Exportanteil betrug bereits im 19. Jahrhundert rund 40 % und liegt inzwischen bei ca. 50 %. Der Aktionsradius hat sich auf ganz Europa, den Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika, Australien und Neuseeland ausgedehnt. Heute ist das kleine Familienunternehmen und älteste Tonbergbauunternehmen im Westerwald ein Global Player.

Witgert, April 2020