Georg Fischer Verlag

Verfasserin: Melanie Biehl
Erstellt am: 06.04.2020

1906: Gründung in Wittlich

1956: Verkauf an den Bonner Stollfuß Verlag

Georg Fischer

Georg Fischer[Bild: Kulturamt Stadt Wittlich]

Der Georg Fischer Verlag wurde 1906 vom Namensgeber Georg Fischer in Wittlich gegründet und bis zur Schließung 1956 geleitet. [Anm. 1] Der Verlag war die meiste Zeit ein Ein-Personen-Unternehmen, abgesehen von zwei Ausnahmen. Daher kann in der Unternehmensgeschichte das Leben und die Person Georg Fischers nicht außen vor gelassen werden und er hat zwangsläufig die Entwicklung des Verlags ebenso beeinflusst, wie die äußeren Umstände und Veränderungen.

Georg Fischer, geboren am 10. Mai 1881, war eines von neun Kindern des Buchbindermeisters Franz Fischer und seiner zweiten Frau Margarethe Clotten. In der Umgebung von Büchern aufgewachsen, scheint es logisch, dass er sich für eine Ausbildung in diesem Bereich entscheidet, doch statt Buchbinder zu werden, beginnt der junge Georg eine Lehre als Buchhändler. Neun Jahre des Lernens führen ihn quer durch Deutschland, unter anderem nach Saarlouis, Köln, Dortmund, Hannover und Leipzig und sogar bis in die Hauptstadt Österreichs. Dennoch zog es ihn in das kleine Wittlich in der Eifel zurück und er behielt sich die Verbundenheit zu seiner Heimat, welche sich wie ein roter Faden durch das gesamte Programm des Verlags zieht. [Anm. 2]

Georg Fischer wurde im Jahr 1915 in den Krieg eingezogen und die hiermit verbundenen Erfahrungen, bis 1918, waren für ihn wohl in dem Sinne prägend, dass sie seine Haltung als Gegner des Kriegs weiter verstärkten. Die Abneigung gegen Gewalt spiegelt sich auch in der Erziehung seiner Kinder wider, in der er diese genauso verabscheute, wie in der Politik.

Neben seiner Verlagstätigkeit, in der er seine Vorliebe für Bücher auslebte, war er auch in vielen Vereinen und Verbänden für seine Heimat tätig. So war er von 1915 bis 1922 Vorsitzender des Eifelvereins [Anm. 3], Zentrumsmitglied und zeitweise Stadtrat, sowie nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Bürgerbeirat Ansprechpartner und Berater für die amerikanischen Besatzer, um den Wiederaufbau der Stadt und vor allen Dingen einer neuen politischen Führung zu organisieren. Wichtige Wegbegleiter waren für ihn Publizist Hermann Klippel, der später auch sein Schwiegersohn wird, sowie der ehemalige Bürgermeister Wittlichs, Matthias J. Mehs, welche den Verleger beide als geradlinig und humorvoll beschreiben. [Anm. 4]

Die Publikationen

Der Fischer-Verlag in der Marienstraße[Bild: Kulturamt Stadt Wittlich]

Für Fischer waren Bücher immer schon als geistiges Kapital zu sehen, dessen man bedarf, um seinen Horizont zu erweitern. [Anm. 5] So verwundert es nicht, dass seine ersten Druckwerke innerhalb des Verlags sich um Erziehung drehen: „Jugendschrift und Erziehung – Ein Beitrag zur Lösung der Jugendschriftfrage“ von Joseph Antz (1905) und von Franz Weicken eine „Methodik des Unterrichts im Deutschen“ (1905). Zu solchen Lehrwerken reihten sich Kinderbücher, christliche Schriften sowie Publikationen aus dem Bereich der Geologie und Geographie und viele Werke der Heimatliteratur in das Repertoire des Fischer Verlags ein und wurden ergänzt durch Postkarten, vor allen Dingen von Wittlich und Umgebung, Landkarten und Fotos. [Anm. 6]

Damit hat der Fischer Verlag ein homogenes, aber regional beschränktes Programm. Das hat aber weder die Qualität oder Quantität noch die Verbreitung von einzelnen Werken beeinträchtigt. Schon bis Beginn des Ersten Weltkriegs erschienen jährlich drei bis vier Veröffentlichungen, Mitte der 1920er Jahre war das Programm auf 50 Titel angewachsen und zum Teil wurden diese auch in Schulen benutzt, zum Beispiel „Zur Geschichte des Weltkrieges 1914/18. Ein Lese- und Markbüchlein für die Hand der Schüler“ (1918). 1928 trennte der Verleger sich von dem 1905 übernommenen Buchhandel seines Vaters und konzentrierte sich auf den Verlag. Das Verlagshaus wurde aus der Burgstraße in die Marienstraße 17 in Wittlich verlegt und mit dem Neubau vergrößert. [Anm. 7] Die verlagseigene Buchbinderei wurde beibehalten und über viele Jahre von Oswald Becker geleitet.

Zu den gerade für die Region wichtigsten Bilddokumenten, die Fischer verlegt hat, gehören zum einen die „Erste Wittlicher Ansicht“, die 1899 festgehalten und später als Ansichtskarte hergestellt wurde, und zum anderen die farbig wiedergegebene Bildersammlung von Fritz von Willes' „Mit Pinsel und Palette von den Eifelbergen ins Moseltal“. Dieses kleine Buch besteht aus mehreren Drucken in Postkartengröße, welche jeweils einen Titel tragen und Motive des Umlands von Wittlich zeigen. Man sieht dem Buch die aufwendige Gestaltung an und die damit verbundene erhebliche Investition und nötige Auflage waren 1933, als das Buch erschien, schwierig zu erreichen. [Anm. 8]

Der Verlag im Dritten Reich

Der Fischer-Verlag in der Burgstraße[Bild: ]

Doch Fischer ging wiederholte Male Risiken ein, gegen den Strom des verlegerischen Mainstreams zu schwimmen, und zumindest mit der Bildersammlung behielt er definitiv Recht. Diese wurde tausendfach aufgelegt und verkauft und gilt heute noch als bibliophile Rarität, die jetzt ein Vielfaches des Originalpreises wert ist. Während hier die Kundeninteressen eine Rolle gespielt haben, suchte Fischer bei dem 1934 bis 1937 veröffentlichten mehrbändigen Werk über den mittelalterlichen Mystiker und Frühscholastiker Bernhard von Clairvaux eine andere Lösung zur Verwirklichung. Denn obwohl religiöse Themen, gerade das Mittelalter betreffend, keine Hochkonjunktur hatten, schaffte es der Verleger, dank der Zusammenarbeit mit dem Abt von Himmerod, das nötige Papier beizuschaffen und am Ende eine rentable Menge zu verkaufen. [Anm. 9] Mit beiden Werken versuchte Fischer sich der Zensur und Bevormundung durch das NS-Regime zu entziehen, dessen Werte er nicht teilen, geschweige denn vertreten konnte. Somit war die Zeit zwischen 1933 und 1945 für den Verleger, der zeitlose, hochwertige und unpolitische Literatur herausbringen wollte, relativ schwierig. [Anm. 10]

Er fand schließlich eine Nische, die mit seinem Portfolio übereinstimmte, seine Familie ernährte und trotzdem unter dem Radar des Regimes lag. Er verlegte Bücher, die für Kinder im Alter von vier Jahren gedacht waren, mit unpolitischen Themen und vielen Bebilderungen. Für dieses Unterfangen gewann er unter anderem die Bilderbuchmalerinnen Doris Lautenschlager mit dem Buch „Wir fahren in die Berge. Eine fröhliche Ferienreise“ von 1935 und Berti Breuer-Weber, die unter anderem 1940 „Hurra, wir gehn zur Schule“ und verschiedene Auflagen der Grimm’schen Märchen von Fischer verlegen ließ. [Anm. 11] Eine Gemeinsamkeit, die Berti Breuer-Weber und eine andere Schriftstellerin des Fischer-Verlags, Clara Viebig, neben ihrer Herkunft aus der Eifel teilen, ist die jüdische Abstammung.

Kleins Vermutung [Anm. 12], dass Fischer sie aufgrund dessen eingestellt hat und dass das somit Fischers Art war, seine Aversion zur NS-Ideologie zum Ausdruck zu bringen, lässt er zwar unbelegt stehen, scheint aber vorstellbar. Sicher ist aber, dass er sich in einer schwierigen Zeit nicht gescheut hat, diese Bücher zu verlegen und das Talent der beiden Frauen anzuerkennen, gleich welcher “Abstammung“ oder welchen Geschlechts sie waren.

Die Schriftenreihe „Rheinisches Land“ mit dem ersten Heft zur Geschichte der Stadt Wittlich (1952), geschrieben vom damaligen Bürgermeister Matthias J. Mehs, widmet „der Herausgeber und Verleger seiner schönen Vaterstadt Wittlich, die nach schwerster Prüfung und unendlichem Leid heute im sichtbaren Zeichen eines geordneten Wideraufbaues steht. Nicht fremde Hilfe, nur die Intelligenz und Tatkraft führender Männer, der Wagemut der Kaufmannschaft und des Handwerks, nicht zuletzt aber der ungebrochene Wille und der Fleiß der Landwirte und Arbeiter hat dies zuwege gebracht. HILF DIR SELBST, DANN HILFT DIR GOTT.“ [Anm. 13]

[Bild: Kulturamt Stadt Wittlich]

Das zeigt wiederum Fischers Verbundenheit zu Wittlich, aber drückt gleichzeitig aus, dass die Stadt, wenngleich in einer ländlichen Gegend gelegen, schwer vom Krieg getroffen wurde. Nicht nur wurde am 10. November 1938 Wittlich zur Garnisonsstadt gemacht, sondern am Heiligabend des Jahres 1944 führte ein Bombengeschwader der Alliierten dazu, dass Teile der Stadt zerstört wurden und 70 Menschen ihr Leben verloren. Die Stadt war, wie viele andere auch, ein Trümmerhaufen und geprägt durch Geschosseinschläge. Bis zum 10. März 1945 suchte die Bevölkerung in den Eiskellern am Fallerberg, auf Mühlen, Höfen und in den Wäldern Schutz vor wiederholten Fliegerangriffen. [Anm. 14]

Das war ein Schlag für Georg Fischer und den Verlag, obwohl zu vermuten ist, dass das Haus in der Marienstraße weitestgehend verschont blieb. Trotzdem wird der Krieg seine Spuren hinterlassen haben. Darüber hinaus wurden bei einem Bombenangriff in Leipzig viele Ausgaben seiner Bücher bei einem Angriff vernichtet, noch bevor sie verkauft werden konnten. Damit machte der Verlag nicht nur Verluste, sondern verlor auch wichtiges Kapital, mit dem er nach dem Krieg einen Neuanfang hätte wagen können. [Anm. 15]

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Ausschnitt aus einer Preisliste von 1948[Bild: Kulturamt Stadt Wittlich]

Davon erholte sich der Verlag letztendlich auch nicht mehr, als Fischer in den 1950er Jahren in den Umschwung von Kinderbüchern auf vermehrte Herausgabe von wissenschaftlichen Arbeiten investierte und 1951 seinen Schwiegersohn Hermann Klippel als Publizist und Lektor einstellte. Erst im Bereich der Geologie und Geographie tätig, wollte Fischer den Bereich eigentlich auf andere Wissenschaften ausweiten, was er aufgrund von Alter und Krankheit jedoch nicht mehr verwirklichen konnte. 1956 verkaufte er seinen Verlag an den Bonner Stollfuß Verlag. [Anm. 16]

Dieser Verkauf erschien passend, weil der Stollfuß Verlag selbst viele regionale Werke, vor allen Dingen Reiseführer, herausgab und in den 1950er Jahren gerade Mitgesellschafter der Bonner Universitäts-Buchdruckerei geworden war. Doch schon wenige Jahre später gab der Verlag diesen Zweig auf und fokussierte sich auf sein anderes Standbein, die Steuer- und Wirtschaftsliteratur, sodass spätestens mit den 1970er Jahren keine regionalen Titel mehr publiziert wurden und das Erbe Georg Fischers nur noch in den alten übriggebliebenen Büchern zu finden ist. [Anm. 17]

Nachdem Fischer 1962 nach langjähriger und schwerer Krankheit verstarb, tauchte in seinem Nachlass ein Werk auf, das bis heute eine so große Bedeutung für die Wittlicher hat, dass es nachträglich verlegt und gedruckt wurde. Das Wittlicher Wörterbuch, von Georg Fischer selbst verfasst, enthält die Wittlicher Mundart und erklärt diese, ohne die Wörter ins Hochdeutsche zu übersetzen. Eigens dafür hat Fischer eine Schreibweise für die wittlicher Mundart entwickelt. [Anm. 18]

Über 300 Titel sind derzeit noch in deutschen Antiquariaten und über das Internet erhältlich und bewegen sich preislich zwischen drei und dreihundert Euro und zeigen das ungebrochene Interesse an den Büchern, die Fischer verlegt hat. [Anm. 19]

Literatur:

  • „Fischer, Georg / 1881-1962“. In: Rheinland-Pfälzische Personendatenbank. Stand: 11.07.2006. URL:   http://www.rppd-rlp.de/pta0325, Abruf 14.12.2019.
  • Klein, Albert: Georg-Fischer-Verlag Wittlich (1906-1956). In: Eifelzeitung (2011). URL: https://www.eifelzeitung.de/termine/georg-fischer-verlag-wittlich-1906-1956-5376/, Abruf 14.12.2019.
  • Ders.: Ein Verleger mit Tatkraft, Wagemut und Fantasie – Zur Geschichte des Georg Fischer Verlags Wittlich. In: Jahrbücher Wittlich (2004), S. 342 - 344.
  • Ders.: Georg Fischer: Ein wittlicher Verleger (1881 - 1962). In: Wittlicher Säubrennerkirmes. Wittlich: Stadtverwaltung 2001, S. 77 - 85.
  • Klein, Albert: Georg-Fischer-Verlag Wittlich (1906-1956). In: Eifelzeitung (2011). URL: https://www.eifelzeitung.de/termine/georg-fischer-verlag-wittlich-1906-1956-5376/, Abruf 14.12.2019.
  • Klippel, Hermann: Ein Leben für die Eifelliteratur. Der Wittlicher Verleger Georg Fischer. In: Eifel-Jahrbuch (1986), S. 112 - 116.
  • Mehs, Matthias J.: Dem Andenken Georg Fischers. In: Ders.: Wittlicher Lesebuch. Wittlich, 1993 (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Wittlich), S. 295 - 297.
  • Ders.: Kurze Geschichte der Stadt Wittlich. Wittlich, Fischer 1952 (Rheinisches Land).
  • 100 Jahre Eifelverein, Ortsgruppe Wittlich: 1888 – 1988.
  • Schaaf, Erwin: Neubeginn aus dem Chaos. Die Geschichte des heutigen Landkreises Bernkastel-Wittlich in den Nachkriegsjahren 1945 - 1950. Wittlich: Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich 1985.
  • „Stotax Geschichte“. In: Stollfuß Medien. Stand: 15.01.2020 URL: https://www.stollfuss.de/unternehmen/geschichte.aspx, Abruf 15.01.2020.

Anmerkungen:

  1. Vgl. Klein, Albert: Ein Verleger mit Tatkraft, Wagemut und Fantasie. 2004, S. 342; Klein, Albert: Georg Fischer: Ein wittlicher Verleger (1881 - 1962). 2001, S. 77 und Klippel, Hermann: Ein Leben für die Eifelliteratur. 1986, S. 112.  Zurück
  2. Vgl. Klein: Verleger mit Tatkraft, S. 342 und Mehs, Matthias J.: Dem Andenken Georg Fischers. 1993, S. 296.  Zurück
  3. Vgl. 100 Jahre Eifelverein, S. 12. Zurück
  4. Vgl. Klein: Ein wittlicher Verleger, S. 77, Schaaf, Erwin: Neubeginn aus dem Chaos. 1985, S. 25 und Fischer, Georg / 1881-1962, in: Rheinland-Pfälzische Personendatenbank, http://www.rppd-rlp.de/pta0325, Stand 11.07.2006, Abruf 14.12.2019.  Zurück
  5. Vgl. http://www.rppd-rlp.de/pta0325, Abruf 14.12.2019.  Zurück
  6. Vgl. Klein: Verleger mit Tatkraft, S. 342.  Zurück
  7. Vgl. Klein: Verleger mit Tatkraft, S. 342 und Klippel: Eifelliteratur, S. 113.  Zurück
  8. Vgl. Klein: Verleger mit Tatkraft, S. 343 und Klippel: Eifelliteratur, S. 115.  Zurück
  9. Vgl. Klein: Verleger mit Tatkraft, S. 344.  Zurück
  10. Vgl. Klein: Ein wittlicher Verleger, S. 81.  Zurück
  11. Vgl. Klein: Ein wittlicher Verleger, S. 81.  Zurück
  12. Vgl. Klein: Verleger mit Tatkraft, S. 344. Zurück
  13. Vgl. Mehs, Matthias J.: Kurze Geschichte der Stadt Wittlich. 1952, S. 2.  Zurück
  14. Vgl. 100 Jahre Eifelverein, S. 23.  Zurück
  15. Vgl. Klein: Ein wittlicher Verleger, S. 83.  Zurück
  16. Vgl. Klippel: Eifelliteratur, S. 115 - 116.  Zurück
  17. Vgl. https://www.stollfuss.de/unternehmen/geschichte.aspx, Stand 15.01.2020 und Klein: Ein wittlicher Verleger, S. 85.  Zurück
  18. Vgl. Mehs: Andenken Georg Fischers, S. 295.  Zurück
  19. Vgl. https://www.eifelzeitung.de/termine/georg-fischer-verlag-wittlich-1906-1956-5376/, Abruf 14.12.2019.  Zurück