Das Ziegelmuseum in der Alten Ziegelei Roßbach
Das Ziegelmuseum im Dachraum über dem Ringofen verdankt seine Entstehung den Funden römischer Ziegel im Universitätsklinikum Mainz durch den Autor. Eine noch kleine Sammlung wurde ab 1994 in den Räumen des ehemaligen Kasinos ausgestellt. Als sich diese Räumlichkeiten durch Zuwachs der Sammlung als zu klein erwiesen, erfolgte der Umzug an die heutige Stelle. Im Jahre 2005 wurde das Museum in neuer Konzeption durch den Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel und die damalige Ortsvorsteherin von Bretzenheim, Frau Marie-Luise Bonn, der Öffentlichkeit übergeben. Das Museum wird durch vier ehrenamtliche Mitarbeiter betreut. Seine laufenden Unkosten werden durch Spenden gedeckt. Größere Ausgaben zum Betrieb übernimmt der Verein der Ziegeleifreunde. Die Kosten für Wasser und Strom trägt die Stadt Mainz als Eigentümerin, eine Miete ist nicht zu entrichten.
Bereits vor der Zugangstreppe wird der Blick der Besucher*innen auf eine alte, heute verglaste Hebebühne gelenkt. Hier empfängt sie eine kleine Präsentation von Dachziegeln, künstlerisch gestalteten Firstziegeln aus dem 19. Jahrhundert und römischen Ziegeln. Geht man die Treppe hoch und durch den Eingang, befindet sich rechts der öffentlich zugängliche Büro- und Bibliotheksraum, in dem mittels einer Fernsehanlage historische Ziegeleifilme angesehen werden können, und auf der linken Seite ein Raum mit Andenken-, Form- und Feierabendziegeln, besonderen Backsteinen und Beispiele für Datierungen von Ziegeln: "Wie alt ist dieser Ziegel?".
Weiter links folgt der Römerraum mit der Präsentation von Ziegelerzeugnissen aus der römischen Epoche von Mainz zwischen 16 v. Chr. und dem 4. Jahrhundert n. Chr.: Moguntiacum war römische Provinzhauptstadt von Germania Superior und entsprechend zahlreich sind römische Ziegelfunde in Mainz. Die Truppen des römischen Heeres waren an den Grenzen des Reiches auf Standlager verteilt. Mainz war einer der bedeutenden Militärorte an der Nordgrenze des Reiches. Jeweils im Zusammenhang mit Feldzügen, Kriegen, Aufständen und Revolten oder grundlegenden strategischen Neuordnungen sind die Truppen verlegt worden. Diese spezielle archäologisch-historische Forschungsrichtung, Dislokationsgeschichte, erlaubt es, den Aufenthalt der römischen Legionen in ihrem Standort zu bestimmen. Diese Legionen stellten ihre Ziegel in Ziegelbrennereien selbst her und hatten das Privileg, ihre Ziegel mit der Zahl, dem Beinamen und Emblem ihrer Legion zu stempeln
Im Museumsbesitz sind Ziegelstempel von allen sieben Legionen, von denen derartige Stempel in Mainz bekannt sind. Legionen mit kurzer Stationierungsdauer waren die 1., 4., 8. und 21. Legion. Ihnen stehen die 14. und 22. Legion mit langer Präsenz in Mainz gegenüber. Die 22. Legion, Legio Primigenia Pia Fidelis, ist über 300 Jahre in Mainz nachweisbar. Die Legionsstempel sind in verschiedenartige Kartuschen gedruckt, als Rund-, Hufeisen-, Schuhsohlen-, Kreuz-oder Doppelstempel. Weitere Ausstellungsstücke sind Parkett- und Hypokaustenziegel, Ziegel mit Graffiti, Ligaturen der Stempel sowie Fußabdrücke von Menschen und Tieren.
Vor dem Römerraum ist ein Teil einer Hypokaustenanlage nachgebaut. Das Hypokaustum, die Fußbodenheizung der Römer, war in Italien im Wesentlichen den Thermen vorbehalten. Im kalten Germanien wurde es aber auch in Privathäusern eingebaut. Bei diesem römischen Heizungsprinzip wird von einer Vorkammer aus (praefurnium) ein Raum unter dem Zimmer geheizt. Der Feuereinsatz wird hier durch einen Elektroofen simuliert. Der Hohlraum ist 60 cm hoch und wird durch Säulchen aus Ziegelsteinen zur Stützung der Decke gebildet. Der große quadratische Deckziegel, die Suspemsuraplatte, hat ein Ausmaß von 59 cm x 7cm. und ist ein Meisterwerk der römischen Ziegeltechnik. Die Abluft wird durch besondere Hohlziegel, die Tubuli, abgeleitet, die in der Wand verlaufen. Sie heizt zusätzlich noch die Wand. Der Nachbau im Mainzer Ziegelmuseum ist aus original römischen Ziegeln zusammengesetzt, gefunden im Wesentlichen im Mainzer Raum.
Neben der Hypokaustenanlage wird der Nachbau eines römischen Ziegelgrabes, eines Brandgrabes präsentiert, gefunden in der Hechtsheimer Straße. Dieses Brandgrab enthielt neben dem Leichenbrand noch sogenannte Schminkkugeln: Sie bestehen aus hauchdünnem Glas, ähnlich unseren Christbaumkugeln, und haben oben, durch das Glasblasen bedingt, ein Loch, durch das die Schminke oder das Parfüm eingefüllt wurde. Es handelt sich dabei um sogenannte Schlägenfadengläser, um Gläser, auf denen ein feiner Glasfaden aufgelegt ist, in diesem Fall in konzentrischen Kreisen.
Nun folgt die große Ausstellungsfläche, durch hängende Tafeln in sechs verschieden große Abschnitte unterteilt. Die Ziegelbänder im Boden entsprechen in ihrem Verlauf den Brennkammern des Ringofens. Im ersten Abschnitt finden sich Informationen über die Geschichte der Ziegelei Roßbach, ihre alten und neuen Baupläne sowie allgemeine Informationen über römische Ziegel und Dachziegel.
Im nächsten Abschnitt werden Beispiele von Dachziegeldeckungen aus neuerer Zeit ausgestellt. Leistenziegel, Krempziegel; Hohlpfannen, Biberschwänze sowie Mönch- Nonne-Ziegel. Sie alle hatten die Aufgabe, das Dach regendicht zu machen. Der große Fortschnitt für die Dichtigkeit von Ziegeldächern war die Einführung des Falzziegels in der Mitte des 19. Jahrhunderts nach dem Prinzip von Nut und Feder. Der Doppelmuldenfalzziegel Z1 der Firma der Falzziegelwerke Carl Ludowici aus dem rheinhessischen Jockgrim eroberte im 19. Jahrhundert die Welt und wird auch noch heute verbaut.
Es folgen Schaukästen mit besonderen Ziegeln. Im ersten Kasten ist ein römischer Ziegel mit Abdruck eines genagelten römischen Schuhs ausgestellt. Die Schuhe der römischen Legionäre waren wegen der größeren Haltbarkeit genagelt. Wenn ein Legionär auf einen zum Trocknen ausgelegten Ziegel trat, drückte sind das Muster seiner Schuhsohle ein und blieb nach dem Brand erhalten. Der daneben stehende genagelte originale römische Schuh, ein Calceus, ist ein Fund des Verfassers aus einer Grabung in der Mainzer Emmeranstraße im Jahre 1982.
Der nächste Kasten zeigt ein kleines Ziegelfragment aus der unmittelbaren Nachbarschaft des Tempelrestes vom Turm zu Babel aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert. Mit drei Textzeilen in Keilschrift wird darauf Kaiser Nebukadnezar II. (605–562), der den mehrfach zerstörten Turm wiederherstellen ließ, gepriesen.
Es schließt sich die Präsentation von Wasserrohren, die in längerem Verband vom Wasserbauingenieur Christian v. Kaphengst aufgebaut wurden, an. Herauszuheben sind sechs Rohre aus einer römischen Palastvilla des späten 2. Jahrhunderts n. Chr. in Bad Kreuznach, um 1975 geborgen, und Teile der Wasserleitung des ehemaligen Zisterzienserklosters St. Johann aus Alzey aus dem 13. Jahrhundert. Sie enthält einen Einsatz, in dem sich Verunreinigungen sammelten und der von außen entleert werden konnte.
An der Rückwand des Dachraumes werden Sonderformen von Dachziegeln, wie Lüftungsziegel, Ziegel für Firste und Ortgang sowie Spitzen, sogenannte Glockenziegel gezeigt: Aus der reichen Sammlung des Dachdeckermeisters Wilhelm Herd aus Osthofen konnte das Ziegelmuseum zahlreiche Lüftungsziegel übernehmen. Sie dienten der Be- und Entlüftung von Dachräumen. Weiterhin sind verschiedene Glockenziegel, die einst auf rheinhessischen Dächern die Verbindungspunkte von Firsten und Graten (Walmen) zierten und Firstanfangziegel mit floralen Mustern zu bewundern.
Entlang beider Dachtraufen haben sich die alten Trockengestelle erhalten. Einst wurden hier Rohsteine in der Wärme des Ringofen getrocknet. Heute ist hier das Ziegeldepot mit einer umfangreichen Sammlung von Mauer- und Dachziegeln. Sie fanden sich auf zerfallenden Häusern und Scheunen und auf Dachböden oder wurden am Straßenrand, in Abfallcontainern, auf Müllkippen und am Rande von Baustellen gesammelt. Unter den ausgestellten Biberschwanzziegeln sind besonders die Beispiele von "Feierabendziegeln" erwähnenswert. Ihren Namen erhielten sie, weil man annahm, dass ein Ziegler nicht während seines harten Arbeitstages, sondern erst nach Feierabend die Muße fände, die letzten von ihm geformten Dachziegel zu kennzeichnen oder mit Einritzungen, Namensinitialen oder Jahreszahlen zu versehen. Die Inhalte dieser so erschaffenen Erzeugnisse umfassen ein weites Spektrum: Einige zeigen die Initialen des Handwerkers oder seinen ganzen Namen, andere wurden mit dem Datum ihrer Herstellung, auch mit Rechnungen oder Ortsangaben gekennzeichnet. Wieder andere wurden mit Heils- und Abwehrzeichen, mit Kreuzen, Sternen und Sonnen verziert. Unter ihnen findet sich auch eine große Anzahl von Feierabendziegeln aus der Sammlung Herd.
Die große Mittelfläche des Dachraumes wird als Vortragsraum genutzt. Hier fand z.B. im Jahre 2008 die 15. Internationale Tagung des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie mit dem Hauptthema: "Die Römer und ihre Ziegel" mit fast 100 Teilnehmern statt. Mehrfach im Jahr wird im Ziegelmuseum ein Kinderprogramm durchgeführt. Dann holen sich die Kinder Lehm aus der örtlichen Grube, kneten ihn und füllen ihn in eine kleine Biberschwanzform. Sie verzieren diese kleinen Dachziegel mit Ornamenten nach Modeln oder mit ihrem Namen. Danach werden die Ziegel im Brennofen des Museums gebrannt.