Löwen-Entertainment
1949: Unternehmensgründung in Braunschweig
1956: Verlegung des Firmensitzes nach Bingen
1984: Fusion von NSM und Löwenautomaten
2003: Übernahme durch die Novomatic Group
Gert W. Schulze (10.9.1913–3.10.1974)[Anm. 1] hatte im Zweiten Weltkrieg als Offizier der Luftwaffe gedient und später, nach der Umsiedlung aus Ostdeutschland über die innerdeutsche Grenze, als Journalist für die Mitteldeutschen Nachrichten in Wernigerode/Braunschweig gearbeitet. Er gründete am 1. Juli 1949 in Braunschweig nach erstem Kontakt mit der Spielautomatenbranche die Fabrik Löwenautomaten. Namensgeber und Firmenlogo war der Löwe im Braunschweiger Wappen. Noch im selben Jahr schloss sich Herbert Nack dem Unternehmen an, welchen Schulze 1952 zum Mitinhaber der Fabrik machte.[Anm. 2] Den dritten Gründer im Bunde – Wilhelm Menke (24.2.1914–31.3.2002)[Anm. 3] – lernten sie 1951 an einem Messestand in Frankfurt kennen. Die Firma baute und vertrieb zunächst die Automaten anderer Firmen wie das Modell TRIUMPH, mit dem sie ihren ersten Verkaufserfolg hatte. Der Rotamint – ihr erster eigener Automat, vorgestellt auf der Frankfurter Herbstmesse 1952 – hatte noch größeren Erfolg. Begünstigt wurde dies durch Lockerungen der in der NS-Zeit eingeführten Gesetze zu Glücksspielautomaten, die den Aufstellungsort einschränkten, sowie durch das Ablaufen alter Lizenzen. So gab es bereits auf der Messe 3.000 Bestellungen.
Am 2. April 1952 gründeten die drei Unternehmer die Schwesterfirma NSM-Apparatebau (NSM = Nack, Schulze, Menke).[Anm. 4] NSM entwickelte und baute die Automaten, Löwenautomaten vertrieb sie.[Anm. 5] Nack kümmerte sich um das Design, Schulze war für Vermarktung und Verkauf zuständig und Menke entwickelte die Technik. Am 20. Januar 1953 lieferte NSM den ersten Automaten aus, wobei diese Zahl noch im Frühjahr desselben Jahres bereits auf 500 Exemplare anstieg.[Anm. 6] Doch es sollte nicht nur bei der Produktion von Geldspielautomaten bleiben. 1953 erhielt das Unternehmen die Baulizenz der Firma Seeburg aus Amerika für deren Musikboxen und 1956 entwickelte Menke das erste eigene Modell von NSM, die „Fanfare 60“. In beiden Bereichen entwickelten Menke und sein Team die Technik ständig weiter und brachten neue Modelle auf den Markt. Mit dem Musikbox-Modell „FESTIVAL“ gelang sogar der Sprung auf internationale Ebene. Allerdings ging das Interesse an Musikboxen mit der Zeit und den aufkommenden technischen Neuheiten relativ schnell verloren[Anm. 7], wohingegen sich die Geldspielautomaten bis heute halten.
Es lief lange sehr gut für NSM und Löwenautomaten, doch dies war keineswegs zu jeder Zeit so. So herrschte eine ständige Konkurrenz zu anderen Unternehmen. In Deutschland waren dies zunächst vor allem die Firma Wulff (heute unter dem Namen Bally Wulff bekannt) und später auch die Gauselmann AG.[Anm. 8] Letztere landete mit ihrem Modell Merkur einen Volltreffer und wurde so zum Marktführer. Wohl auch als Reaktion auf den Erfolg von Wulff entschieden sich die Geschäftsleitungen von NSM und Löwenautomaten 1984 für eine Fusionierung der beiden Schwesterunternehmen[Anm. 9] und 1990 für eine Umbenennung in NSM-Löwen AG.[Anm. 10] Auf diese Weise konnten die Unternehmen einen Teil der aufgrund der Unternehmensstruktur doppelt besetzten Stellen zusammenführen und weitere Kosten einsparen.[Anm. 11]
Ungefähr zur Zeit der Namensänderung ging die Geschäftsleitung dann auch den nächsten Schritt. Anstatt nur Spielstätten mit Automaten zu versorgen, eröffnete sie mit der Tochterfirma Löwen Play mit zunächst fünf Standorten eine eigene Kette an Glücksspielstätten.[Anm. 12] Diese Zahl stieg bis Ende der 1990er auf rund 100 an. 2000/2001 wurde jedoch entschieden, Löwen Play an die holländische Bank ABN-Amro zu verkaufen.[Anm. 13] Die Gesellschaft und ihre Niederlassungen bestehen auch heute noch.[Anm. 14] Mit dem Jahreswechsel 1998/99 übergaben Wilhelm Menke und dessen Familie ihren Aktienanteil an NSM an die Nachfahren von Schulze, wodurch dessen Familie nun zum alleinigen Besitzer wurden.[Anm. 15] Zu dieser Zeit erweiterte NSM-Löwen AG das Repertoire an Produkten: Electronic Darts[Anm. 16] sowie Tischkicker[Anm. 17] wurden und sind bis heute fester Bestandteil der Produktpalette, während die Herstellung der NSM Jukebox 1999 aufgegeben wurde.[Anm. 18]
Weniger aus finanziellen Gründen als infolge einer gemeinsamen Vision vollzog sich – zumindest nach Aussage der Beteiligten – 2003 die Übernahme der NSM-Löwen AG durch die österreichische Novomatic Group und ihre Umbenennung in NSM Löwen-Entertainment.[Anm. 19] Man habe – so die Leitungen beider Unternehmen – gemeinsame Ideen und Strategien für die Zukunft entwickelt und wolle diese mit der Übernahme gemeinsam in die Tat umsetzen. Die Unternehmen hätten bereits vorher eine enge Zusammenarbeit gehegt, sodass dieser Schritt beiden Seiten nicht schwergefallen sei.[Anm. 20]
Eine Gelegenheit zur Realisierung ihrer Pläne bot sich 2006. In diesem Jahr wurden die gesetzlichen Regelungen in der Spieleverordnung gelockert, was dem Unternehmen mit seinen gerade eingeführten „Multigamern“ einen großen Aufwind gab, der wohl trotz erneuter Gesetzesdebatten im Jahr 2011 nicht abriss.[Anm. 21] Die Löwen-Gruppe übernahm in den folgenden Jahren verschiedene Unternehmen und weitete die eigene Produktion auf Softwareangebote für Glücksspielautomaten und -hallen sowie Dienstleistungen im Sinne von Sportwetten aus. Auch im Bereich der Suchtprävention und -aufklärung ist NSM aktiv.[Anm. 22]
Der Standort Bingen wurde für das Unternehmen früh wichtig und man engagierte sich dementsprechend stark. So wendete man während der Bau- und Erweiterungszeit bis 1974 neben den Ausgaben von circa 72 Mio. DM für Bau und Entwicklung auch jeweils 23 Mio. DM für gesetzliche und freiwillige Sozialleistungen auf. Auch mit freiwilligen Zahlungen war die Unternehmensführung großzügig, ob es sich nun um Ausschüttungen zu Jubiläen, anderen Prämien oder Spenden an Vereine oder die Stadt Bingen handelte.[Anm. 23] So gibt es in Bingen mittlerweile eine Löwenstatue[Anm. 24], einen Brunnen[Anm. 25] sowie Kunstskulpturen[Anm. 26], die NSM spendete. Das Gebiet rund um das Unternehmen an sich verwandelte sich nach und nach immer mehr in eine Wohnsiedlung für Mitarbeiter und deren Familien: von Wohnhäusern und Spielplätzen über Sportvereine bis hin zu einer eigenen freiwilligen Feuerwehr. Heute führt man auch neue Projekte wie „LÖWEN Azubis helfen“[Anm. 27] durch.
Doch das Unternehmen behandelte nicht alle Mitarbeiter gleich. In einem Interview hat eine Gastarbeiterin, die seit Ende der 1960er Jahre bei NSM arbeitete, erzählt, dass sie – wie andere GastarbeiterInnen auch – zunächst sehr freundlich empfangen wurde und mit Versorgungspaketen und Wohnraum versorgt wurde.[Anm. 28] Die im Ausland vereinbarten Verträge (Stundenlohn) wurden bei Vertragserstellung in Deutschland allerdings geändert und gekürzt und anscheinend auch an das Erreichen bestimmter Stückzahlen in der Produktion gekoppelt. Auch blieben Urlaubszeiten wie Weihnachten, wie sich für sie später herausstellte, unbezahlt.[Anm. 29] Auch habe ihr das Unternehmen keine Unterstützung beim Deutsch lernen, wie zum Beispiel Sprachkurse, angeboten. Auf Nachfrage nach diesen wurde sie wohl sogar ausgelacht und erwidert: „Sie gehen ja in zwei Jahren wieder. Wozu brauchen Sie da Sprache und dafür Geld ausgeben? Sparen Sie lieber“.[Anm. 30]
Mitarbeiter- und Gewinnzahlen zu bestimmen, ist bei NSM nicht gerade einfach, da man zwischen der Gruppe und den einzelnen Unternehmen unterscheiden muss. Allerdings sind die Informationen ab 2008 auf folgender Website aufgelistet: https://web.archive.org/web/20160329065511/http://www.loewen.de:80/meta-menu/unternehmen/daten-fakten/.
NSM startete in Braunschweig mit gerade einmal 20 Mitarbeitern und erhöhte diese Zahl noch im selben Jahr auf 150.[Anm. 31] Nach Bingen folgten beiden Unternehmen 1954 allerdings insgesamt nur 14 Mitarbeiter.[Anm. 32] Fünf Jahre später lag die Mitarbeiterzahl von NSM bereits bei 450.[Anm. 33] Die Werke in Weiler und Sprendlingen schufen dann ungefähr je hundert weitere Stellen.[Anm. 34] Heute beschäftigt Löwen Entertainment rund 500, die Löwen-Gruppe insgesamt circa 3.500 Mitarbeiter. Umsatz und Beschäftigungszahlen der Löwen-Entertainment GmbH und der Löwen-Gruppe liegen nach jeweils neuesten Zahlen bei: Ca. 600 Mitarbeitern (GmbH; Stand 2011)[Anm. 35] und ungefähr 300 Mio. (GmbH; Stand 2015)[Anm. 36] sowie bei 4514 Mitarbeitern und 645 Mio.€ (Gruppe; Stand 2018).[Anm. 37]
LÖWEN-ENTERTAINMENT ist ein bedeutendes Unternehmen für die Region Bingen. Und unter den jetzigen Geschäftsführern Christian Arras, Martin Moßbrucker und Martin Restle[Anm. 38] wird es dies dort wohl auch weiterhin bleiben.
Literatur:
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- Novomatic unter den 3 größten Glücksspieltechnologie-Produzenten in Europa. Novomatic übernimmt NSM-LÖWEN ENTERTAINMENT GmbH in Deutschland. In: ISA-Guide, worldwide entertainment guide (2003). URL: www.isa-guide.de/isa-gaming/articles/4698.html (Aufruf am 16.02.2020).
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- Telser, Dietmar: Nichts geht mehr. In: Rhein-Zeitung, Ausg. B0. - 66 (2011), 129 vom 04.06., Journal.
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Anmerkungen:
- Schmitt, Helmut/Schmitt, Uwe: Die Geschichte der NSM-Apparatebau von 1952-1982. In: Byrtze-Post (2013), S. 126. Zurück
- Ebd., S. 90ff. Zurück
- Bell, Heinz-Josef: Wilhelm Menke zum 100. Geburtstag. In: Weilerer Heimatnachrichten 50 (2014), S. 12 URL: http://www.heimatfreunde-weiler.de/Bernhards_Eldorado/WHN-Artikel/50S12.pdf (letzter Aufruf am 29.2.2020). Zurück
- Schmitt, Helmut/Schmitt, Uwe: Die Geschichte der NSM-Apparatebau von 1952-1982. In: Byrtze-Post (2013), S. 90-93. Zurück
- Novomatic unter den 3 größten Glücksspieltechnologie-Produzenten in Europa. Novomatic übernimmt NSM-LÖWEN ENTERTAINMENT GmbH in Deutschland. In: ISA-Guide, worldwide entertainment guide. URL: https://www.isa-guide.de/isa-gaming/articles/4698.html (Aufruf am 16.02.2020). Zurück
- Schmitt, Helmut/Schmitt, Uwe: Die Geschichte der NSM-Apparatebau von 1952-1982. In: Byrtze-Post (2013), S. 93ff. Zurück
- Schmitt, Helmut/Schmitt, Uwe: Die Geschichte der NSM-Apparatebau von 1952-1982. In: Byrtze-Post (2013), S. 114ff. Zurück
- Die Geschichte des Spielautomaten in Deutschland. In: spielautomaten.de, Deutschland #1 Guide für Online Slots & Spielautomaten. URL: https://www.spielautomaten.de/geschichte/ (letzter Aufruf: 29.02.2020). Zurück
- Schmitt, Helmut/Schmitt, Uwe: Die Geschichte der NSM-Apparatebau von 1952-1982. In: Byrtze-Post (2013), S. 105. Zurück
- Geschichte. In: Löwen-Gruppe URL: https://www.loewen-gruppe.de/gruppe/ (letzter Aufruf: 29.02.2020). Zurück
- Schmitt, Helmut/Schmitt, Uwe: Die Geschichte der NSM-Apparatebau von 1952-1982. In: Byrtze-Post (2013), S. 105. Zurück
- Ebd., S. 118. Zurück
- NSM hat Löwen Play verkauft. In: Automatenmarkt (2001). URL: https://www.automatenmarkt.de/nachrichten/artikel/nsm-hat-loewen-play-verkauft/ (letzter Aufruf: 29.02.2020). Zurück
- Schmitt, Helmut/Schmitt, Uwe: Die Geschichte der NSM-Apparatebau von 1952-1982. In: Byrtze-Post (2013), S. 118. Zurück
- Ebd., S. 128. Zurück
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