Cornelius Heyl AG

Verfasserin: Irina Holzer

Erstellt am: 01.03.2013

1834: Gründung der Lederwerke Cornelius Heyl in Worms

1952: Übernahme durch die Salamander AG, Kornwestheim

Frauen in der Zurichterei und Bügelstube der Heyl'schen Werke Liebenau AG, 18.4.1926[Bild: Füller, StA Worms 07095]

Die Familie Heyl war ursprünglich in Bacharach ansässig und wird dort urkundlich seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erwähnt. Johann Cornelius III. Heyl (1789-1858) ist als der Begründer der Wormser Lederindustrie zu sehen, die das traditionelle Wormser Gerberhandwerk abgelöst hat. Er ebnete der Familie einen steilen Weg von wirtschaftlichem und sozialem Aufstieg. Im Jahre 1834 gründete er die Lederwerke Cornelius Heyl, die schon 1857 als größte Wormser Fabrik angesehen wurden. Durch seine Heirat mit Wilhelmine Martenstein wurde eine familiäre Verbindung zu alteingesessenen Wormser Ratsherren- und Kaufmannsfamilien geknüpft. Als lackiertes Leder aus London und Paris in Deutschland bekannt wurde, sollte dieses nun auch fabrikmäßig in Worms gefertigt und in der Schuhproduktion verwendet werden. Die Produktionspalette vergrößerte sich zusehends, sodass der Geschäftsführer 1839 zusätzlich eine Lederfabrik, die ausschließlich lackiertes Kalbleder für Schuhe produzierte, gründete.

Die Lederfabrik expandierte stetig und ab 1853 wurden weitere Produktionsstätten östlich der Speyerer Straße eingerichtet. In der Gründungszeit besaß die Firma nur drei oder vier Gebäude, 1889 hatten die Heyl'schen Fabriken 206 Gebäude, 1903 waren es 470 – inklusive Liebenau – und 1913 standen 510 Firmenbauten. 1865 hatte die Firma bereits 1.400 Mitarbeiter, 1873 waren etwa ein Drittel aller Wormser Industriearbeiter bei Heyl beschäftigt. Bis 1914 stieg die Arbeiterzahl auf 5.200. Insgesamt entwickelte sich die Lederindustrie in Worms zum stärksten Wirtschaftszweig der Stadt, der im Jahr 1907 ca. 4.750 Beschäftigte umfasste (zur Unterbringung von Arbeitern in Worms siehe Aufsatz auf regionalgeschichte.net).

Einen beträchtlichen Aufschwung hatte das Unternehmen unter der Leitung von Cornelius V. Wilhelm von Heyl vollzogen, der 1861 die Geschäfte des Betriebes übernahm. Er machte sich als Politiker und Reichstagsabgeordneter einen Namen sowie als kultureller und sozialer Mäzen der Stadt Worms. Ein Höhepunkt war die Erhebung der Familie in den Adelsstand durch Großherzog Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein im Jahre 1886 als „Freiherren von Heyl zu Herrnsheim“.

Nach dem Tod von Freiherr Cornelius Wilhelm von Heyl im September 1923 übernahmen seine Söhne die Lederwerke. Dr. jur. Cornelius VI. Wilhelm Karl (1874-1954) erbte das Stammwerk im Wormser Süden (mit 1924 gut 5.000 Beschäftigten), sein jüngerer Bruder Baron Ludwig Cornelius von Heyl zu Herrnsheim (1886-1962) übernahm ein bisheriges Zweigwerk der Cornelius Heyl AG in Neuhausen, das er zu einem eigenständigen Betrieb mit dem Namen „Heyl'sche Lederwerke Liebenau“ erhob. Die frühere Lederfabrik Louis Schlösser & Co. hatte sein Vater 1901 für die Produktion von Ziegenleder erworben.

Minenproduktion bei der C. Heyl AG[Bild: StA Worms 04966]

Der Erste Weltkrieg zwang die Firma zu entscheidenden Veränderungen in der Produktion. Die Lacklederherstellung wurde zeitweise aufgegeben, dafür wurde ein Teil des Werks als Munitionsfabrik eingesetzt. Nach Kriegsende bestimmten in nahezu allen Branchen Rohstoffmangel und Absatzprobleme die durch die Inflation und die politische Krise zusätzlich angeheizte Lage. Den Hintergrund bildeten die durch die französische Besetzung mit ihren Beschränkungen für die Rohstoffzufuhr und Export entstandenen Engpässe. Auch die Cornelius Heyl AG geriet in immer stärkere Schwierigkeiten, die sich in Entlassungen, Auftragsrückgängen und zunehmender Kurzarbeit niederschlugen. Aus dem Jahr 1924 sind detaillierte Entlassungspläne der Lederwerke C. Heyl überliefert, die zeigen, dass ein drastischer Belegschaftsabbau geplant war (Bönnen 2005, S. 558). Diese Entwicklung beschleunigte sich in den folgenden Jahrzehnten.

Hingegen traten die auf hochwertige Chevreauleder spezialisierten, mit hohem Anteil von Frauen produzierenden Lederwerke Heyl-Liebenau unter der Führung Ludwig von Heyls in den 30er-Jahren aus dem Schatten des Stammwerks Cornelius Heyl AG immer stärker heraus. Trotz der vorübergehenden Schwächungen während der Weltwirtschaftskrise konnte Ludwig von Heyl seine führende Position in der Chevreauleder-Produktion bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs halten. Im Jahre 1933 exportierten die Heyl'schen Lederwerke Liebenau, die sich zum Marktführer in der Herstellung von Chevreauleder entwickelt hatten, etwa drei Viertel ihrer Produktion ins Ausland. Für die Nationalsozialisten war der Betrieb daher als Devisenbringer interessant. Ludwig von Heyl bewahrte eine vielfach bezeugte Distanz zum Nationalsozialismus, unterhielt Kontakt zu jüdischen Freunden und Bekannten und nahm dabei auch manche Schwierigkeiten in Kauf. Man war zudem bemüht, den hohen Stand der betrieblichen Sozialleistungen noch auszubauen (Bönnen 2005, S. 591).

An der Spitze der Cornelius Heyl AG stand seit 1933 der überzeugte Nationalsozialist Dr. Cornelius Bruno von Heyl (1908-1983). Nachdem es im November 1933 zu der Verhaftung dreier langjähriger Direktoren des Werkes gekommen war, hatte dieser freie Hand in der Umsetzung seiner Vorstellungen zur Führung des Betriebs. Bei seinem Antritt als Geschäftsführer hatte der Betrieb bereits große Absatzschwierigkeiten.

Worms wurde zunehmend zum „Notstandsgebiet“, dessen hoher Arbeitslosigkeitsrate die nun als „Ratsherren“ titulierten Stadträte hilflos entgegenstanden. Die Schuld wurde vor allem bei den Wirtschaftsführern der Lederwerke gesehen. Aus Akten der sogenannten „Treuhänder“, die von den Nationalsozialisten an Stelle der aufgelösten Gewerkschaften gesetzt wurden, bekommt man einen Einblick in die Situation der Firma. So sei das Verhältnis zwischen dem Baron und dem Vertrauensrat „in dieser Firma ein denkbar schlechtes“ (Bönnen 2005, S. 590). Es wird außerdem von Spannungen und von großen Unruhen berichtet. Ein weiterer Punkt, der die schlechte Stimmung im Betrieb noch steigerte, war die extrem ideologische Einstellung der Verantwortlichen der Cornelius Heyl AG. Ab Anfang 1941 mehrten sich die Vorwürfe zu sogenannten „Arbeitsbummeleien“. Darunter verstand man geringste Verstöße gegen die Arbeitsdisziplin, die zur Anzeige gebracht wurden und ein Strafverfahren nach sich zogen.

Während des Zweiten Weltkriegs waren in den Lederwerken von Cornelius Heyl – wie auch in anderen Wormser Betrieben – Zwangsarbeiter beschäftigt. Grund war vor allem die Einberufung männlicher Betriebsangehöriger zur Wehrmacht (siehe Brecher 2004, S. 97). Zwischen Januar 1941 und Februar 1942 verloren die Heyl'schen Lederwerke insgesamt 125 der ca. 300 noch im Betrieb befindlichen Arbeiter an die Wehrmacht. Des Weiteren stiegen durch die Rüstungsanstrengungen die Aufträge für Bekleidungsleder für Wehrmachtszwecke und der damit verbundene Personalbedarf enorm an. Da der Lederindustrie während des Krieges nicht der Status einer kriegs- und lebenswichtigen Industrie zugebilligt wurde, wurden ihr verhältnismäßig wenige Zwangsarbeiter zugeteilt. Erhielt zum Beispiel die Eisen-, Stahl- und Blechwarenindustrie vom Mai 1940 bis Mai 1944 172.000 Zivilarbeiter und Kriegsgefangene, so waren es in der Lederindustrie lediglich etwa 8.400 (Brecher 2004, S. 101).

Dadurch waren die Lebens- und Arbeitsbedingungen bei Cornelius Heyl verhältnismäßig besser als in den Großbetrieben der Rüstungsindustrie. Die Tatsache, dass kein Ersatz für einen kranken Arbeiter in Aussicht stand, sorgte für eine relativ gute Behandlung der Arbeiter mit zusätzlichen Lebensmitteln, Zugang zu Luftschutzbunkern und ärztlicher Behandlung (Brecher 2005, S. 102). In einem Brief an den Arbeitskreis Ukraine-Pfalz schildert ein ehemaliger sowjetischer Zwangsarbeiter die Umstände seines Aufenthaltes in Worms dennoch eher negativ:
„Die körperliche Arbeit war sehr schwer, das Essen außerordentlich knapp und deshalb haben wir alle an Dystrophie gelitten. In der Gefangenschaft haben wir bis zur Bewußtlosigkeit gearbeitet“ (Brief von Herrn Pereschanov an Frau Emilie Hofrichter vom 29. Juni 1999, als Kopie im StAWo Ordner Zwangsarbeiter, 29.06.1999).
Der Grund für die schlechte Beurteilung der Arbeitsbedingungen in der Heyl'schen Fabrik könnte damit zusammenhängen, dass für nahezu alle Bereiche des Arbeitseinsatzes die Herkunft der Fremdarbeiter von maßgeblicher Bedeutung war. So wurden ausländische Arbeitskräfte zum Einen nach politischen, zum Anderen nach rassischen Kriterien unterschiedlich behandelt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor die Lederindustrie in Worms vor allem durch die Konkurrenz der Kunststoffindustrie zunehmend an Geltung, so dass sie im Jahre 1974 mit der Liquidierung der Heyl'schen Lederwerke Liebenau vollständig erlosch. Bis heute ist der Name Heyl ein Inbegriff für die Wormser Lederindustrie.