Staatlich Fachingen
1742: erste Quellenanalyse in Fachingen
1894: Verpachtung an Friedrich Siemens
1990: Verkauf von Staatlich Fachingen an die Überkingen-Teinach AG
2011: Übernahme durch Sinalco
Im Jahr 1740 wurde die Heilquelle in Fachingen an der Lahn entdeckt und 1742 die Zusammensetzung des Wassers analysiert. Kurz darauf wurde das Heilwasser in Krüge abgefüllt und verkauft. [Anm. 1] Zu dieser Zeit war es ein ausgesprochenes Luxusprodukt; die meisten Menschen konnten sich kein Mineral-, geschweige denn Heilwasser, leisten. Dementsprechend blieb die verkaufte Wassermenge überschaubar. Bis 1809 stieg sie jedoch auf etwa 300.000 Tonkrüge an. [Anm. 2]
Von 1815 bis 1866 gehörte die Heilquelle dem Herzogtum Nassau, das unter anderem aus Rücksicht auf die Westerwälder Krugbäcker die Abfüllung in Glasflaschen, die zwar seit 1870 angeboten wurden, preislich eher benachteiligte. [Anm. 3]
Ab 1866 gehörte Staatlich Fachingen Preußen, das die Glasflaschen nun günstiger anbot. Dennoch waren Krüge mit Mineralwasser noch preiswerter, zumal sie ein größeres Volumen hatten, und das Wasser blieb länger frisch. Endkunden wollten das Wasser aber in Glasflaschen kaufen. [Anm. 4] Diesen kam sicherlich auch die 1891 eingeführte Halbliterflasche entgegen. Im Jahr 1886 wurde die Quelle neu gefasst, wodurch sich die Wasserqualität verbesserte. [Anm. 5]
Ab 1894 verpachtete der preußische Staat seine Quellen in Fachingen, Niederselters und Geilnau, an Friedrich Siemens, der neben einer Glasfabrik in Dresden deutschlandweit mehrere Glashütten besaß. [Anm. 6] Daher verwundert es nicht, dass unter Siemens die Umstellung des Verkaufs auf Glasflaschen forciert wurde, wenn er sich auch zur Abnahme von 2 Mio. Tonkrügen jährlich verpflichtete. [Anm. 7]
Der zunächst bis 1916 abgeschlossene und später verlängerte Pachtvertrag ging nach dem Tod des Pächters im Jahr 1904 an dessen Frau, später deren Söhne, über, die Königliche (später Staatliche) Mineralbrunnen Siemens Erben oHG. Ab der Siemens’schen Zeit liegen im Hessischen Wirtschaftsarchiv zahlreiche Unterlagen, insbesondere die Versandzahlen, vor. [Anm. 8]
Anfänglich verkaufte das Unternehmen weniger als eine Million Liter Heilwasser im Jahr. Der Absatz konnte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 auf über sechs Millionen Liter gesteigert werden. Im Jahr der Ruhrkrise und der völligen Entwertung der deutschen Währung 1923 konnte kaum noch Heilwasser verkauft werden. Bis 1929 erholte sich Staatlich Fachingen kurzzeitig, fasste aber ab der Weltwirtschaftskrise in den frühen 1930er Jahren, im Gegensatz zu anderen Mineralbrunnen, [Anm. 9] nicht mehr Fuß bei den Verbrauchern und setzte jährlich nur 2 bis 3 Mio. Liter ab. Dennoch beschäftigte Fachingen Zwangsarbeiter. [Anm. 10] Die Quellen dokumentieren allerdings Spannungen zwischen dem NS-Regime; so musste der Brunnen Niederselters 1942 der SS überlassen werden [Anm. 11] und die Verlängerung der Pacht fand nur kurzzeitig und kurzfristig statt. [Anm. 12] Dadurch gab es für den Pächter wenig Anreiz, größere Investitionen durchzuführen.
Bereits in den letzten Kriegsjahren wie auch in den frühen Nachkriegsjahren — als Fachingen zunächst amerikanisch, dann französisch besetzt war — verfügte das Unternehmen weder über moderne funktionstüchtige Maschinen noch über Flaschen und Verschlüsse. Daran änderte auch die Erhebung eines Pfandes wenig. Zum Teil fehlte es auch an notwendigen Genehmigungen der Besatzungsbehörden. [Anm. 13] Darüber hinaus war der öffentliche Verkehr durch die Kriegszerstörungen zusammengebrochen; der Fachinger Brunnen konnte nur mit Pferdewagen oder einfachen Fahrzeugen die direkte Umgebung beliefern. [Anm. 14]
Erst mit der Investition von Staatlich Fachingen in neue Maschinen [Anm. 15] konnte ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre der Verkauf stetig gesteigert werden und überschritt 1965 10, 1969 20, 1977 sogar 50 Mio. Liter. Hierzu wurden unter finanzieller Beteiligung des Eigentümers, des Landes Rheinland-Pfalz, zahlreiche weitere Wasservorkommen erschlossen. Dieser große Erfolg von Fachingen steht in Zusammenhang mit der Entwicklung des gesamten Mineralwassermarktes, das sich von einem Luxusgut zum Massenkonsumartikel wandelte. [Anm. 16]
Im Gegensatz zu anderen Mineralbrunnen hing der Absatz des Heilwassers Staatlich Fachingen nicht wesentlich von der durchschnittlichen Jahrestemperatur ab. Heilwasser wurde nicht primär als Durstlöscher, sondern aus gesundheitlichen Gründen getrunken.
Trotz des großen Absatzes betonte Fachingen die besonders hohe Qualität seines Heilwassers, das in eigenen grünen Flaschen verkauft wurde. [Anm. 17] Fachingen stellte 1986 einen Verkaufsrekord mit 86,4 Mio. Litern auf. Danach kam es zu einem Rückgang. In Fachingen arbeiteten zu dieser Zeit fast 100 Beschäftigte. [Anm. 18]
Im Jahr 1990 veräußerte das Land Rheinland-Pfalz Staatlich Fachingen an den Mineralbrunnen Überkingen-Teinach AG. Dieser verlängerte den Pachtvertrag mit Siemens Erben nach 100 Jahren nicht. Seit 2011 gehört der weltweite Marktführer für Heilwasser Staatlich Fachingen zur deutschen Sinalco GmbH Markengetränke & Co. KG.
Anmerkungen:
- Schmieder, Christoph, Zur Geschichte von Birlenbach und Fachingen, 6.8.2019, https://www.regionalgeschichte.net/rhein-lahn/birlenbach.html. Zurück
- Das Unternehmen spricht von 23.000 Krügen im Jahr 1750, https://www.fachingen.de/geschichte.aspx. Zurück
- Eisenbach, Ulrich: Das Heilwasser Fachingen. Geschichte eines besonderen Naturvorkommens. Mainz 1994, S. 94. Zurück
- Ebd. Zurück
- Ebd. Zurück
- Vertrag über die Verpachtung der Kgl. preuss. Mienralbrunnen zu Niederselters, Fachingen und Geilnau im Reg. Bez. Wiesbaden“, 1894, in: HWA, Ab. 109 Nr. 4. Zurück
- Eisenbach 1994, S. 109. Zurück
- Hessisches Wirtschaftsarchiv, Mineralbrunnen Fachingen, https://www.hessischeswirtschaftsarchiv.de/bestaende/einzeln/0127.php, Abruf 7.7.2020. Die Statistik wurde von Ulrich Eisenbach in der Unternehmensgeschichte von Fachingen aus dem Jahr 1994 fortgesetzt. Zurück
- Eisenbach, Ulrich: Mineralwasser. Vom Ursprung rein bis heute. Kultur- und Wirtschaftsgeschichte der deutschen Mineralbrunnen. VDM 100 Jahre, Bonn 2004, S. 232. Zurück
- Eisenbach 1994, S. 142f. Zurück
- Ebd., S. 142f. Zurück
- Vgl. u.a. Siemens Erben an Preuß. Finanzminister, 16.1.1941, HWA, Abt. 109 Nr. 4. Zurück
- Staatl. Mineralbrunnen Siemens-Erben, Wiesbaden, an Staatl. Mineralbrunnen Fachingen, Fachingen, 4.4.1946; Landesverfügung vom 11. Juli 1947 über die Erhebung eines Pfandes für Gebinde, Flaschen, Hülsen und Kisten, in: HWA, Abt. 109 Nr. 2; Siemens Erben Fachingen an Landesreg. RLP, Finanzministerium Koblenz, 26.4.1948, in: HWA, Abt. 109 Nr. 5. Zurück
- Aufzeichnungen des früheren Direktors Beudt über die Geschichte des Fachinger Mineralbrunnens, 1993, S. 6, HWA Abt. 1100, Nr. 205. Zurück
- Eisenbach 1994, S. 156. Zurück
- Ute Engelen, Vom Luxusgut zum Massenkonsumartikel. Zur Wirtschaftsgeschichte der rheinland-pfälzischen Mineralbrunnen von 1918 bis in die 1970er Jahre, in: In: Albert, Gleb J. /Siemens, Daniel /Wolff, Frank (Hg.), Entbehrung und Erfüllung. Praktiken von Arbeit, Körper und Konsum in der Geschichte moderner Gesellschaften. Bonn 2021 (Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 112), S. 335–356. Zurück
- Eisenbach 1994, S. 163. Zurück
- Sarholz, Hans-Jürgen (2016): „… vortreffliches Sauerwasser“. Mineralbrunnen im Rhein-Lahn-Gebiet. Bad Ems: Verein für Geschichte/Denkmal- und Landschaftspflege e.V. Bad Ems (Bad Emser Hefte, Nr. 487), S. 38. Zurück