Kirner Privatbrauerei
1798: Gründung der Kirner Brauerei durch Jakob Andres
1862: Umbennung in Ph. u. C. Andres, Bierbrauerei und Mälzerei zu Kirn
Gerade einmal gut 50 Jahre ist es her, da gab es in unserer Region von der Mosel über den Hunsrück bis hin zur Nahe noch fast zehn kleine und mittlere Brauereien. Dazu gehörten: Caspary und Löwenbräu in Trier, eine Brauerei in Bernkastel, das in Kirchberg gebraute Höhen-Pils, die Fuchs-Brauerei in Windesheim, die Kreuznacher Braustätten Felsenkeller und das Nahe-Brauhaus, die im Nahe-Glan-Gebiet recht bekannte Brauerei Bonnet in Meisenheim und das Kirner Bier. Von all diesen Braustätten ist heute nur noch die Brauerei Andres übriggeblieben. Alle anderen Braustätten wurden meist an Großbrauereien verkauft, so etwa an Bitburger, die Binding-Brauerei in Frankfurt am Main, an Königsbacher in Koblenz oder an die Karlsberg-Brauerei in Homburg an der Saar.
Bereits im Jahr 1998 konnte die Kirner Brauerei ihr 200-jähriges Jubiläum feiern. Dieses Datum geht zurück auf Jakob Andres (1789-1824), den Gründungsvater der Kirner Brauerdynastie. Der gelernte Weißgerber betrieb nämlich seit 1792, zunächst neben dem Gerberhandwerk, ein Wirtshaus in der Kirner Nahegasse, wo er auch sein eigenes Bier braute. Andres gab jedoch bald die Gerberei auf und konzentrierte sich zunehmend auf die Gastwirtschaft und seine Hausbrauerei. Ab dem Jahr 1798 verkaufte er dann sein Bier auch an andere Kirner Gastwirte und Privatkunden. Dieses Jahr gilt somit als Gründungsdatum der nachmaligen Großbrauerei. Allerdings konnte Jakob Andres in dem damals gerade etwa 1.000 Einwohner zählenden Städtchen zunächst keine großen Umsätze erzielen. Zudem durchlebte auch er die damals teils schwierigen Zeiten. Im Zuge der Revolutionskriege wurde Kirn, wie das gesamte linke Rheinland, 1798 der jungen Französischen Republik zugeschlagen und gehörte somit 16 Jahre zu Frankreich. Die Folgen der immer wieder aufkommenden Kriegshandlungen im Rahmen der Koalitionskriege trafen auch das Kirner Land hart. Wie viele andere Gewerbetreibende in der Region geriet damals auch Jakob Andres zeitweise in finanzielle Schwierigkeiten.
Jedoch erholte sich die wirtschaftliche Situation nach der im Zuge des Wiener Kongresses 1814/15 erfolgten Eingliederung des Rheinlandes ins Königreich Preußen. Das wirkte sich auch positiv auf das Braugeschäft von Jakob Andres aus. Er gewann neue Kunden, auch aus der Umgebung von Kirn, und der Umsatz mit seinem Bier (sowie dem selbst hergestellten Branntwein) stieg stetig an. Bald konnte er sogar Geld an auswärtige Schuldner verleihen, betätigte sich also nebenher als meist erfolgreicher Bankier, da es damals in Kleinstädten wie Kirn noch keine Sparkassen oder Banken gab. Wie heute noch vorhandene Unterlagen (Abrechnungen etc.) im Firmenarchiv belegen, war Jakob Andres 1824, dem Jahr seines Todes, schließlich ein sehr wohlhabender Bürger, möglicherweise sogar der reichste Mann von Kirn. So besaß er am Ende seines Lebens ein Vermögen von über 13.000 Talern. Das war meist in Mobilien und Immobilien, aber auch in Schuldverschreibungen angelegt. Was aber waren damals 13.000 Taler eigentlich wert? Dazu ein Vergleich: Ein Pferd kostete in Kirn um 1800 etwa 50 bis 70 Taler, ein Acker zwischen 100 und 150 Taler.
Jedenfalls hinterließ Jakob Andres seinem Sohn Johann Philipp (1800-1874) nicht nur ein beträchtliches Vermögen, sondern hatte zugleich eine Brauertradition begründet, der sich auch seine Nachkommen verpflichtet fühlten. Schon jener Philipp Andres gab dann die Gastwirtschaft in der Nahegasse auf und widmete sich ganz der Brauerei und dem weiter steigenden Vertrieb seines Bieres. Der entscheidende Durchbruch zu einer industriellen Großbrauerei gelang eine weitere Generation später den ältesten Söhnen Philipp (1835-1883) und Carl Andres (1836-1894). Diese absolvierten zunächst einige Lehrjahre bei Münchner und Böhmischen Brauereien. So auch in Pilsen, woher ja die bekannte Biersorte Pilsner oder Pils stammt. Zurück in Kirn gründeten sie im Jahr 1862 die heute noch bestehende Firma unter dem Namen Ph. u. C. Andres, Bierbrauerei und Mälzerei zu Kirn. Dazu erwarben sie das repräsentative Gebäude der ehemals Fürstlich Salm-Kyrburgischen Kellerei, welche nun der Sitz der rasch aufstrebenden Brauerei wurde. In unmittelbarer Nähe entstand dann beiderseits der Kallenfelser Straße jene große Brauereianlage, die in etwas kleinerem Ausmaß dort heute noch besteht. Auf dem Höhepunkt des wirtschaftlichen Erfolges war die Brauerei Andres zweifellos Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals war sie zu einer der größten Brauereien im gesamten Rheinland avanciert. Das Absatzgebiet umfasste sogar das damals zum Deutschen Reich gehörende Elsass-Lothringen.
Die weitere Entwicklung der Kirner Brauerei bis zum heutigen Tag wäre sicher eine ganz eigene Erörterung wert. Deshalb nachfolgend nur die wichtigsten Daten und Fakten. Zwei für Deutschland verlorene Weltkriege mit zweimaligem wirtschaftlichem Niedergang haben auch der Kirner Brauerei sehr zu schaffen gemacht. So verlor sie nach Kriegsende 1918 allein mit der Abtretung von Elsass-Lothringen an Frankreich und der zwei Jahrzehnte dauernden Abtrennung des Saargebietes vom Deutschen Reich mit einem Schlag fast 2/5 ihres Absatzgebietes. Hinzu kamen bald weitere Absatzprobleme in Folge der rasant steigenden Inflation 1923 und durch die Verelendung breiter Bevölkerungskreise in Folge der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise. Ähnlich hart traf die Brauerei der wirtschaftliche Niedergang in der ersten Zeit nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg. So betrug etwa der Bierausstoß im Jahr 1948 gerade mal 1/4 der Produktion im Vergleich zum letzten Vorkriegsjahr 1938. Immerhin gelang im Zuge der bald darauffolgenden Jahre des Wirtschaftswunders wieder ein beträchtlicher Aufschwung. Auf dem Höhepunkt war der Bierausstoß in den 1970er Jahren, als man jährlich um die 180.000 Hektoliter Gerstensaft produzierte. Damals gehörte auch eine eigene Getränkefirma mit Abfüllanlagen für Coca-Cola und das Fruchtsäfte produzierende Unternehmen Vitaborn zum Firmenkomplex der Familie Andres.
Mittlerweile hat man sich in Kirn wieder auf das Kerngeschäft, das Bierbrauen, konzentriert. Allerdings haben sich seither auch in diesem Bereich manche Probleme ergeben. Schwierigkeiten bereiten der Brauerei zum einen der im deutschen Braugewerbe schon seit langer Zeit anhaltende Prozess einer Konzentration hin zu Großbrauereien bzw. Braukonzernen. Diese können oftmals kostengünstiger produzieren und haben durch größere Werbeetats die Möglichkeit, deutschlandweit Reklame zu machen. Zum anderen macht der allgemein sinkende Bierkonsum einer gesundheitsbewusster lebenden Gesellschaft der Kirner Brauerei zu schaffen. So hat sich der jährliche Bierausstoß gemessen an Hektolitern mittlerweile im höheren fünfstelligen Bereich eingependelt. Allerdings versucht man auch in Kirn durch die Produktion neuer bzw. im Trend liegender Biersorten am Markt mitzuhalten. Dazu gehörten etwa das „Kirner Landbier“, das „Kirner Frei“, „Kirner Weizen“ (auch alkoholfrei), der „Schinderhannes-Bock“, das „Kirner Märzen“ oder das „Kirner Sommerbier“. Kernprodukt ist jedoch nach wie vor das „Kirner Pils“, welches nach Brauereiangaben um die 75% des Gesamtausstoßes ausmacht. Schließlich wurde gerade erst im Jahr 2016 eine neue Abfüllanlage in Betrieb genommen, die modernsten Ansprüchen genügt.
Zudem wurde vor einigen Jahren der Kirner-Bier Club von der Brauerei ins Leben gerufen. Dessen Zweck ist es, die immerhin über 4.000 Mitglieder enger an die (fast) neue Marke KIRNER zu binden. Diesem Zweck dient letztlich auch das alljährlich stattfindende Brauereifest. Auf dem weiträumigen Brauhofgelände wird hier jeweils in der zweiten Aprilhälfte der Tag des Deutschen Bieres gefeiert. Jedenfalls ist der Andrang des Publikums an diesem Tag stets groß. Diese Veranstaltungen stehen allerdings im Schatten jenes großen Brauereifestes, das hier im Herbst 1998 mit großem Aufwand und medialer Aufmerksamkeit drei Tage lang gefeiert wurde. Anlass war damals das Jubiläum 200 Jahre Kirner Bier.
Hauptabsatzgebiet von KIRNER sind heute die Kreise Bad Kreuznach und Birkenfeld sowie der südwestliche Teil des Rhein-Hunsrücks-Kreises (Altkreis Simmern). Aber auch in Rheinhessen (u.a. in Mainz), im Rheingau (u.a. in Wiesbaden), an der Mosel (u.a. in Trier) und im Saarland trifft man bisweilen Gaststätten, die Kirner Bier ausschenken. Natürlich hat die Automatisierung auch hier nicht haltgemacht, was bedingt, dass heute weit weniger Menschen bei der Brauerei beschäftigt sind als etwa in den 1970er Jahren. Die Firma ist nach wie vor im Besitz der Familie Andres, die allerdings heute weitverzweigt ist und gewissermaßen eine Familiendynastie bildet. So sind etwa 25 Personen als Teilhaber an der Kirner Privatbrauerei beteiligt. Die Familien stellten auch bis vor gut zehn Jahren stets den jeweiligen Geschäftsführer des Betriebes. Nach 1945 waren das (in chronologischer Reihenfolge) Fritz Andres Senior, Ernst-Ulrich Andres, Fritz Andres Junior und Eberhard Andres. Seit dem altersbedingten Ausscheiden von Eberhard Andres wird die Brauerei von einem Geschäftsführer geleitet, welcher nicht mehr aus der Familie stammt. Heutiger Geschäftsführer ist Michael Peitz. [Anm. 1]
Anmerkungen:
- Ergänzende Mitteilungen erhielt ich vom ehemaligen Geschäftsführer der Brauerei Eberhard Andres und vom jetzigen Geschäftsführer Michael Peitz. Zurück