Kuemmerling

1945: Gründung in Leibis

1950: Neugründung in Coburg

1963: Verlagerung des Standortes nach Bodenheim

2005: Verkauf an den Getränkekonzern Allied Domecq

2010: Übernahme durch den Sekthersteller Henkell

Die Anfänge

Ehemaliges Produktionsgebäude in Bodenheim[Bild: Wikipedia-Nutzer joho345, gemeinfrei]

„83 Prozent der Deutschen kennen die Marke Kuemmerling, die Nummer fünf unter den meist- getrunkenen Spirituosen.“ [Anm. 1] Der Einfluss der Marke Kuemmerling auf den deutschen sowie den internationalen Spirituosenmarkt ist so groß, dass im Jahr 1999 83 Prozent der Deutschen die Marke kannten. Viele haben zwar eine Vorstellung vom Produkt Kuemmerling, jedoch ist die Geschichte des Unternehmens selbst den meisten nicht bekannt.

Der Name des Unternehmens lässt annehmen, dass der Gründer Hugo Kümmerling war, jedoch wurde die Firma im Handelsregister in Oberweißbach am 1. November 1945 unter dem Namen Kuemmerling mit dem Inhaber, und somit auch Gründer, Johannes Persch eingetragen. [Anm. 2] Dieser war der Schwiegersohn von Hugo Kümmerling, welcher von Beruf Reiseapotheker war und Anfang der 1920er Jahre damit begonnen hatte, an der Rezeptur für den später bekannten Kräuterlikör zu arbeiten. Seinen Ursprung hatte das Unternehmen somit in der Heimat von Hugo Kümmerling. Er stammte aus Deesbach, Teil einer Region, die allgemein als „Kräutergarten Thüringens“ betitelt wird und schon zur Gründungszeit des Unternehmens für die Herstellung von Ölen, Kräuterlikören und Duftwassern bekannt war. [Anm. 3] In Leibis, einem kleinen Ort im Thüringer Wald, arbeiteten Hugo Kümmerling und sein Schwiegersohn Johannes Persch nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen an der Vermarktung und Verfeinerung ihres späteren Produkts. Persch hatte eine Ausbildung zum Funker bei der Reichsbahn absolviert und war auch im Zweiten Weltkrieg als solcher tätig. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg benötigte er eine neue Arbeit und sah die Zusammenarbeit mit seinem Schwiegervater als Chance, sich im Bereich des Getränkemarktes zu etablieren. [Anm. 4]

Flaschenreihe Kuemmerling 1949-2018[Bild: Unternehmensarchiv Henkell]

Kurz nach der Firmengründung erfolgte der Bau der ersten Produktionsstätte in Leibis im Thüringer Wald Ende des Jahres 1946. Diese diente als reine Produktionsstätte zur Herstellung des Magenbitters. Probleme entstanden schon früh mit der Freigabe des Produktes, da es zuerst nur als pharmazeutisches Produkt zugelassen wurde, jedoch später auch wie ursprünglich gedacht als Spirituose anerkannt wurde und auch als solche vermarktet werden durfte. Retrospektiv wird von Johannes Persch in seiner Autobiografie angegeben, dass das Unternehmen im Jahr 1946 einen Jahresumsatz von ca. 2 Millionen DM erwirtschaften konnte und somit die erste Fabrik zu klein wurde, um der Nachfrage gerecht werden zu können. Am 21. März 1949 floh Familie Persch aufgrund der politischen Umstände vom ersten Standort Leibis in den Westen nach Coburg. Mit dieser Umsiedlung begann ein neues Kapitel in der Unternehmensgeschichte von Kuemmerling, da die Firma am neuen Standort erneut gegründet werden musste. [Anm. 5]

Neugründung in Coburg

Am 12. April 1950 gründete Persch die Firma Kümmerling in Coburg neu und entschied sich, den Namen Hugo Kümmerling, Inhaber Johannes Persch unter Zustimmung seines Schwiegervaters zu behalten. [Anm. 6] Mit der Neugründung des Unternehmens änderte sich die Verkaufsstrategie. Persch entschied sich, Vertreter einzustellen, die den Absatz erhöhen sollten. Hierzu wurden die Vertreter mit Autos der Marke Volkswagen ausgestattet. Schnell konnte man den Kundenstamm in Coburg und Umgebung ausbauen und somit einen Jahresumsatz von ca. 4 Millionen DM im Jahr 1950 erwirtschaften. [Anm. 7] Am 4. Juli 1950 erteilte das Unternehmen einen Auftrag zur Herstellung der selbst konzipierten Flaschen für das Produkt Kümmerling bei einer Glasmanufaktur in Coburg. Mit dem Konzept der neuen Flaschen zum Abfüllen des Kräuterlikörs sicherte sich Kümmerling ein Wiedererkennungsmerkmal, mit dem sich der Magenbitter deutlich von der Konkurrenz abhob. Einer dieser Konkurrenten war ab der Mitte der 1950er Jahre Underberg, welcher ein ähnliches Produkt herstellte und auch ähnliche Farben für sein Firmenlogo verwendete. Somit kam es in dieser Hinsicht zu rechtlichen Streitigkeiten zwischen den beiden Unternehmen, welche über die Zeit behoben werden konnten, indem Kuemmerling die Farben in seinem Logo minimal änderte.

Erweiterung und Umzug nach Bodenheim

Ehemaliges Hauptgebäude von Kuemmerling in Bodenheim[Bild: Wikipedia-Nutzer joho345, gemeinfrei]

Kuemmerling florierte weiterhin über die nächsten Jahre und konnte sich schnell so weit entwickeln, dass auch das neue Betriebsgebäude in Coburg, welches ca. 224 m² umfasste, zu klein wurde. [Anm. 8] Am 1. Juli 1963 verlagerte das Unternehmen seine Produktion und seinen Firmensitz nach Bodenheim, wo eine neue und größere Betriebsstätte von über 3.000 m² errichtet worden war. Am alten Standort in Coburg wurde weiter produziert, da der Spirituosenhersteller hauptsächlich aus Expansionsgründen umzog. [Anm. 9] Am neuen Standort Bodenheim wurde eine Werbeagentur damit beauftragt, eine passende Werbung für das Produkt und das Unternehmen an sich zu gestalten, welche weitere Käuferschichten ansprechen sollte. Die Vertreter erhielten nun VW-Transporter, welche es ermöglichten, die Ware direkt aus den Transportern heraus zu verkaufen. Im Jahr 1963 soll das Unternehmen über 30 Niederlassungslager und ca. 600 Festangestellte verfügt haben. [Anm. 10] Im Laufe der kommenden Jahre konnte das Unternehmen seine Stellung auf dem Getränkemarkt ausbauen. Am 17. September 1974 erweiterte Kuemmerling sein Sortiment durch den Kauf von Dr. Hillers Pfefferminz für 4 Millionen DM. Des Weiteren nahm das Unternehmen die Produktion eigener Fruchtsäfte namens Pejo auf. Persch zufolge steigerte das Unternehmen mit den neuen Produkten seinen Jahresumsatz auf über 80 Millionen DM im Jahr 1979. [Anm. 11]

Verkauf

Am 2. Januar 1984 schied Johannes Persch aus seinem Unternehmen aus und übergab dieses an seinen Sohn Jürgen Persch, der das Unternehmen fortführte. Im Jahr 1989 erreichte der Umsatz ca. 280 Millionen DM. Bis 2001 blieb das Unternehmen Kuemmerling im Besitz von Jürgen Persch. Dieser verkaufte das Unternehmen am 3. September 2001 für 400 Millionen DM an den Getränkekonzern Allied Domecq in Bristol, [Anm. 12] der 2005 seinerseits übernommen wurde. Kuemmerling wurde in Beam Global Deutschland GmbH umfirmiert. Seit 2010 gehört Kuemmerling zum deutschen Sekthersteller Henkell. [Anm. 13]

Die Marke Kuemmerling verfügt über eine langjährige Geschichte und hat den deutschen Spirituosenmarkt mitgeprägt. Sie ist ein fester Bestandteil der Stadtgeschichte von Bodenheim.

Verfasser: Dominic Potts

Erstellt am: 24.03.2020

Literatur:

Anmerkungen:

  1. Bott, Hermann: Moralische Verkommenheit. In: Der Spiegel 29 (1999), S. 97.  Zurück
  2. Vgl. Persch, Johannes: Kuemmerling 60 Jahre Rückblick. Aufstieg und Erfolg der Firma Kuemmerling vom Gründer und Inhaber Johannes Persch. Schlangenbad 2007. Entnommen aus dem Archiv Henkell und Freixenet in Wiesbaden, Kapitel: Mein erster Standort Leibis, S. 3.  Zurück
  3. Vgl. Oberhollenzer, Dieter: Rezeptur ist bis heute ein Geheimnis. In: Rhein Main Presse, 11.06.2012, S. 18f.; Vgl. Grudzielski, Elvira: Mein Thüringer Kräuterland. Zella-Mehlis 1997, S. 22f.  Zurück
  4. Vgl. Persch, Johannes: Standort Leibis, S. 15.  Zurück
  5. Vgl. Persch, Johannes: Mein erster Standort Leibis, S. 8ff.  Zurück
  6. Vgl. Bott, Hermann: Moralische Verkommenheit, S. 97; Vgl. Persch, Johannes: Mein zweiter Standort: Coburg/Bayern, S. 5.  Zurück
  7. Vgl. Persch, Johannes: Mein zweiter Standort Coburg/Bayern, S. 7ff.  Zurück
  8. Vgl. ebd., S. 10ff.  Zurück
  9. Vgl. Persch, Johannes: Mein letzter Standort: Bodenheim, S. 5.  Zurück
  10. Vgl. Oberhollenzer, Dieter: Rezeptur ist bis heute ein Geheimnis, S. 18.  Zurück
  11. Vgl. ebd., S. 6-10; Vgl. Persch, Johannes: Mein letzter Standort Bodenheim, S. 11f.  Zurück
  12. Vgl. Persch, Johannes: Mein letzter Standort Bodenheim, S. 13ff.  Zurück
  13. Vgl. Oberhollenzer, Dieter: Rezeptur ist bis heute ein Geheimnis, S. 18.  Zurück