Rhenser Blaue Quellen

Verfasserin: Ute Engelen

Erstellt am: 10.05.2022

1862: wirtschaftliche Nutzung der Quelle

1883: Gründung der Rhenser Mineralbrunnen Fritz Meyer & Co.

1931: Minderheitsbeteiligung von Henkell

1974: Übernahme von Rhenser durch Nestlé

seit 2017: Beteiligung und Geschäftsführung durch die Brüder Friedrich und Christian Berentzen

Rathaus und Hochstraße in Rhens um 1905[Bild: Sammlung Rolf Kranz, Foto Victor Ullmann, [CC0 1.0]]

Die Heilwirkung der Rhenser-Quelle war wohl bereits im Mittelalter bekannt, wobei der erste schriftliche Beleg von 1577 stammt. [Anm. 1] Bei einem Jahrtausendhochwasser im Jahr 1784 [Anm. 2] wurde die Quelle verschüttet und erst 1857 wieder nutzbar gemacht. Der Kaufmann Heinrich Schwarz erwarb 1862 die Quelle und baute einen wirtschaftlichen Betrieb auf. [Anm. 3] Im Jahr 1883 übernahm die Familie Meyer die Quelle unter dem Namen Rhenser Mineralbrunnen Fritz Meyer & Co. [Anm. 4]

Steingutflasche des Rhenser Mineralbrunnens[Bild: Palauenc05 [CC BY-SA 3.0]]

Vor dem Hintergrund des Verkaufs von „künstlichem“ Mineralwasser [Anm. 5] setzte sich Carl Meyer für die Gründung eines Verbandes der Mineralbrunnen ein. 1906 schlossen sich dementsprechend 23 Mineralbrunnen zusammen. Später übernahm sein Neffe Fritz Christian Meyer die Leitung der Verbandsarbeit. [Anm. 6] Er war seit 1908 im Unternehmen tätig und leitete es ab Mitte der 1920er Jahre, nach dem Tod von Carl Ludwig Meyer, alleine. [Anm. 7]

Von einer halben Million Flaschen 1883 verdoppelte sich der Versand innerhalb von vier Jahren und überschritt vor der Jahrhundertwende 5 Mio., 1911 9 Mio. Flaschen. Damit war Rhenser einer der großen Mineralbrunnen in Deutschland.

Geschäftsbericht 1922[Bild: Landeshauptarchiv Koblenz / LHAKo Best. 700,147 Nr. 13]

Aber auch der Absatz von Rhenser, das als Mineralwasser ein Luxusgut war, ging in der Mangelsituation des Ersten Weltkrieges zurück, allerdings in geringerem Maße als bei anderen Mineralbrunnen. 1917 konnten immerhin 7 Mio. Flaschen verkauft werden. Doch während der französischen Besatzungszeit und insbesondere im Jahr der Ruhrkrise mit der Hyperinflation ging der Absatz deutlich zurück. Rhenser firmierte ab 1922 als Aktiengesellschaft, mit der Reichsbank und Discontobank als Teilhaber.

Da die Belieferung des nichtbesetzten Deutschlands aus der besetzten Zone deutlich erschwert und teilweise nicht möglich war, übernahm Rhenser Quellen im unbesetzten Gebiet: 1922 die Bismarck-Quelle und Rabensteiner in Hamburg sowie den Harzer Sauerbrunnen Grauhof, 1923 die Neue Selterser Quellen in Selters an der Lahn. Diese Quellen waren jeweils ähnlich groß wie der eigentliche Rhenser-Brunnen. [Anm. 8]

Broschüre über ärzltiche Urteile zur Heilwirkung um 1910[Bild: Landeshauptarchiv Koblenz / LHAKo Best. 700,147 Nr. 6]

Nach der Währungsreform und dem Ende der Ruhrkrise nahm der Absatz stark zu: Rhenser allein setzte 1929 fast 13 Mio. Flaschen ab, zusätzlich zu den anderen neuen Quellen. Grund dafür war der nun deutschlandweite Verkauf u.a. über die Brunnenvertriebs-Aktiengesellschaft in Berlin und weiteren Standorten. [Anm. 9]

Doch die Einführung der Mineralwassersteuer im Mai 1930 in Verbindung mit der Weltwirtschaftskrise, durch die laut Fritz Christian Meyer „breiteste Verbraucherschichten infolge der dauernd sinkenden Kaufkraft und der zunehmenden Erwerbslosigkeit von dem Konsum unserer [...] Erzeugnisse ausgeschaltet wurden“ [Anm. 10], brach der Absatz bis 1933 auf 5,8 Mio. Flaschen ein. Rhenser gewann jedoch mit Henkell einen Teilhaber aus der Getränkeindustrie. [Anm. 11]

Der den Nationalsozialisten unangenehme Vorsitzende, Adolf Duckwitz vom Koblenzer Anzeiger, trat bereits 1935 zurück; er war Freimaurer wie Fritz Christian Meyer. Ihre Loge wurde 1934 besetzt und löste sich zwangsweise auf. [Anm. 12] Meyer gab 1933 die Präsidentschaft bei der IHK auf. [Anm. 13] In den frühen 1950er Jahren erhielt er das Amt erneut. [Anm. 14]

[Bild: Ute Engelen, IGL]

In den folgenden Jahren konnte Rhenser stetig mehr verkaufen und erreichte mit fast 16 Mio. Flaschen im Jahr 1938 einen neuen Höchststand, der 1943 mit 23 Mio. Flaschen erneut übertroffen wurde. Ob dies infolge des Arbeitnehmermangels im Zweiten Weltkrieg mit dem Einsatz von Zwangsarbeiter:innen erreicht wurde, ist nicht belegt. [Anm. 15]

Im Vergleich zur Konkurrenz fasste Rhenser unter dem Motto „Die blauen Quellen“ nach den ersten schwierigen Kriegsjahren schnell wieder Fuß auf dem Mineralwassermarkt. 1950 wurde bereits wieder 60 % des bislang höchsten Flaschenverkaufs von 1941 erreicht, 1956 konnte dieser mit 26,6 Mio. Flaschen überschritten werden.

[Bild: Ute Engelen, IGL]

Bereits seit 1951 spielte die Jahrestemperatur keine entscheidende Rolle mehr für den Absatz. Hingegen mussten erheblich Investitionen in weitere Brunnen, Vorkommen, Infrastruktur, Fahrzeuge sowie in Flaschen und Kisten getätigt werden. Daher beteiligte sich Rhenser früh an der Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB). [Anm. 16]

In den folgenden Jahren setzte sich die positive Entwicklung zwar fort, aber Wettbewerber wie Gerolsteiner Sprudel, das 1959 westdeutscher Marktführer wurde, wuchsen nun schneller. Im Jahr 1973 verkaufte Rhenser erstmals über 50,2 Mio. Flaschen. Im folgenden Jahr wurde Nestlé Alimentana Mehrheitsaktionär von Rhenser. [Anm. 17] 2005 löste sich Nestlé im Rahmen eines Management Buy-outs wieder von Rhenser.

[Bild: Ute Engelen, IGL]

Rhenser wurde 2017 nach einer Insolvenz in Eigenregie [Anm. 18] von den Gebrüdern Friedrich und Christian Berentzen und Ingrid Königs, einer Nichte von Hans Riegel (Haribo), [Anm. 19] übernommen. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte der mittelständische Mineralbrunnen 128 Mitarbeiter:innen. [Anm. 20] Im ersten Corona-Jahr 2020 verkaufte Rhenser 115 Mio. Füllungen, obwohl der Mineralwasserkonsum seit 2016 und auch während der Coronakrise deutlich rückläufig war. [Anm. 21]

Anmerkungen:

  1. Daschmann, Hans-Achim, Der Rhenser Mineralbrunnen: Tradition hat einen Namen, in: Jahrbuch Heimatbuch 2012 Kreis Mayen-Koblenz 2012, S. 104–107, hier S. 4. Zurück
  2. Hochwasserereignisse im Rheingebiet: Das Eishochwasser 1784,  https://undine.bafg.de/rhein/extremereignisse/rhein_hw1784.html, Abruf 4.5.2022.  Zurück
  3. Daschmann 2012, S. 104. Zurück
  4. Gesellschaftsvertrag, 9. April 1883 u. 17.11.1883, Landeshauptarchiv Koblenz (LHA Ko) 700,147 Nr. 1. Eine ausführlichere Unternehmensgeschichte findet sich in Engelen, Ute, Vom Luxusgut zum Massenkonsumartikel. Zur Wirtschaftsgeschichte der rheinland-pfälzischen Mineralbrunnen von 1918 bis in die 1970er Jahre, in: In: Albert, Gleb J. /Siemens, Daniel /Wolff, Frank (Hg.), Entbehrung und Erfüllung. Praktiken von Arbeit, Körper und Konsum in der Geschichte moderner Gesellschaften. Bonn 2021 (Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Bd. 112), S. 335–356. Zurück
  5. Mit Inhaltsstoffen angereichertes Trinkwasser, das nicht aus unterirdischen Quellen stammt. Zurück
  6. Becker, Die Mineralbrunnen- und Kohlensäureindustrie am Mittelrhein und ihre wirtschaftliche Verflechtung, Neuwied 1951, S. 82. Zurück
  7. Rhenser, Bericht des Vorstands, Juli 1926, LHA KO Best. 700,147 Nr. 16; Nachruf, in: Rhein-Zeitung, 8.6.1955, LHA KO Best. 860 Z Nr. 825. Zurück
  8. Absatzzahlen der Blauen Quellen, LHA KO Best. 700,147 Nr. 8. Zurück
  9. Rhenser Mineralbrunnen Fritz Meyer & Co., AG (im Folgenden Rhenser), Erste Ordentliche Generalversammlung, 12.4.1923, LHA KO Best. 700,147 Nr. 13; Becker 1951, S. 72f.  Zurück
  10. Rhenser, Geschäftsbericht 1931, LHA KO Best. 700,147 Nr. 16. Zurück
  11. Rhenser, Geschäftsbericht 1930, LHA KO, Best. 700,147 Nr. 16. Zurück
  12. Freimaurerloge „Friedrich zur Vaterlandsliebe“, Geschichte der Loge, https://www.freimaurer-koblenz.de/joomlafm/unsere-loge/geschichte-der-loge/2-uncategorised/2-chronik-der-loge?showall=1" \l ":~:text=Mit%20dem%20Einzug,starb%20am%206.6.1955, Liste der Stuhlmeister seit der Gründung,  https://www.freimaurer-koblenz.de/joomlafm/unsere-loge/liste-der-stuhlmeister, Festchronik Vielfalt bestimmt den Start, https://www.freimaurer-koblenz.de/joomlafm/unsere-loge/festchronik, Abruf beide 4.5.2022.  Zurück
  13. Nachruf, in: Rhein-Zeitung, 8.6.1955, LHA KO Best. 860 Z Nr. 825; IHK Koblenz, Galerie aller Präsidenten der IHK Koblenz, https://www.ihk.de/koblenz/servicemarken/ueber-uns/unser-ehrenamt/galerie-aller-praesidenten-der-ihk-koblenzaller-4710572, Abruf 4.5.2022.  Zurück
  14. Engelen 2021, S. 350. Zum Leben von Duckwitz im NS-Regime siehe die Stolpersteinverlegung für ihn unter Förderverein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz, https://www.mahnmal-koblenz.de/index.php/component/content/article/74.html" \l ":~:text=Im%20Anschluss%20an%20diese%20Verlegung%20wird%20in%20der%20Roonstra%C3%9Fe%206%20der%20%E2%80%9EStolperstein%E2%80%9C%20f%C3%BCr%20Adolf%20Duckwitz%20gesetzt, Abruf 4.5.2022.  Zurück
  15. Engelen 2021, S. 350f. Zurück
  16. Engelen 2021, S. 351. Zurück
  17. Nestlé Waters gibt Rhenser Brunnen ab, Lebensmittel Zeitung 49 vom 09.12.2005, S. 14. Zurück
  18. Rhenser soll fit werden zum Verkauf, Lebensmittel Zeitung 49 vom 09.12.2016, S. 13. Zurück
  19. Wie geht’s eigentlich Christian Berentzen?, in: Die Welt, 11.12.2018,  https://www.welt.de/wirtschaft/bilanz/article185349016/Einst-Gesellschafter-bei-Berentzen-Wie-geht-s-eigentlich-Christian-Berentzen.html, Abruf 4.5.2022. Zurück
  20. Pressemitteilung LIESER Rechtsanwälte, Gebrüder Berentzen übernehmen Rhenser Mineralbrunnen, 3.8.2017, https://www.dictum-media.de/gebrueder-berentzen-uebernehmen-rhenser-mineralbrunnen/, Abruf 4.5.2022. Zurück
  21. Rhenser legt deutlich zu, 8.2.2021, https://getraenke-news.de/rhenser-legt-deutlich-zu/, Abruf 4.5.2022. Zurück