Ziegelei Roßbach in Mainz-Bretzenheim

Verfasser: Paul-Georg Custodis

Erstellt am: 30.03.2021

Aus der Mainzer Ziegelgeschichte

Ziegelei Roßbach, Luftbild, um 1980.
Ziegelei Roßbach, Luftbild, um 1980.[Bild: Ziegeleimuseum]

Vor mehr als 20 Millionen Jahren war im Rheinknick das "Mainzer Becken" entstanden. Hier hatte sich südwestlich des heutigen Rheinverlaufes durch Ablagerungen eines Meeresarmes das Rheinhessische Hügelland gebildet und war von Kies, Sand und Tonschichten überdeckt worden. Als zum Beginn des 19. Jahrhunderts im Zuge der Frühindustrialisierung auch am Rhein die Bevölkerung stärker zunahm und zahlreiche Menschen in den Umkreis der größten Städte zogen, wurden durch den Bau von Industrieanlagen und Wohnungen auch mehr Baumaterialien benötigt. Man besann sich der Tonvorkommen im Boden. Denn mit diesem Rohstoff ließen sich zügig und kostengünstig Ziegelsteine brennen, die gegenüber dem traditionellen Bauen mit Naturstein oder mit Fachwerk im Vorteil waren.

So entstanden im Umkreis von Mainz linksrheinisch in Mombach, Budenheim, Heidesheim sowie in Laubenheim und rechtsrheinisch in Kostheim Ziegeleien. Ab 1848 begann der Mainzer Unternehmer Christian Lothary mit dem Bau einer Ziegelei in Weisenau. Auch das Umfeld von Hechtsheim wurde seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts von Tongruben und Ziegelherstellung geprägt. Drei leistungsfähige Betriebe gruben hier die reichen Tonvorkommen ab und betrieben große Dampfziegeleien. Auf dem Gelände des heutigen Finanzamtes Mainz-Süd produzierte bis etwa 1920 die Ziegelei von Otto Braunewell. An der Hechtsheimer Straße siedelten sich auf dem Gelände der heutigen "Automeile" die Firma von Ludwig Marx und am heutigen Kreuzungspunkt der Alten Mainzer Straße mit der Autobahn die Ziegelei Alois Richardt (vor 1904 Groh) an. 1917 stellten diese drei Hechtsheimer Betriebe mit insgesamt vier Ringöfen ca. 17 Millionen Backsteine her, fast die Hälfte der Backsteinproduktion im Mainzer Raum. Sie alle haben längst die Produktion eingestellt, die Gebäude wurden abgebrochen. 

Geschichte der Ziegelei Roßbach

Die Anfänge der Ziegelei Roßbach liegen bei Nikolaus Tremmel. Im Jahre 1871 in Waldsee bei Speyer geboren, war er gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit zwei Freunden nach Mainz gekommen und betrieb wohl um 1900 im Umfeld von Bretzenheim eine Ziegelei, möglicherweise eine Feldziegelei. Als auch im Mainzer Raum die Ziegelherstellung in Kleinbetrieben nach der Errichtung der ersten Ringöfen unrentabel geworden war, plante er den Bau eines Ringofens. Da er aber nicht über ausreichende Finanzmittel verfügte, nahm er Ludwig Anselm Roßbach als Partner und Teilhaber hinzu. Von ihm soll im folgenden Text noch ausführlich die Rede sein. Roßbach war gegen Ende des 19. Jahrhunderts als mittelloser Bäckergeselle aus Stadtprozelten, Kreis Marktheidenfeld/Bayern, an den Rhein gekommen und hatte in der Bäckerei Schilling in Mainz-Weisenau Arbeit gefunden. Er war begabt und fleißig, heiratete die Bäckerstochter und übernahm die Bäckerei. Doch verkaufte er sie bald wieder und investierte den Erlös in den Bau der neuen Ziegelei. Tremmel brachte neben einigen Geldmitteln zudem sein Fachwissen über das Brennen von Ziegeln als "Betriebskapital" ein. Roßbach dagegen war fachfremd, bestritt aber offenbar den größten Teil der Baukosten.

Noch vor 1904 kauften Tremmel und Roßbach gemeinsam ein großes Grundstück zwischen der Pariser Straße und dem Geländerand am Abhang zum Wildgrabental. Hier sollte die neue Ziegelei errichtet und im rückwärtigen Grundstücksteil Ton abgebaut werden. Es war zwischen beiden vertraglich vereinbart worden, den Gewinn je zur Hälfte aufzuteilen. Im September 1904 beantragten Tremmel und Roßbach bei der Kreisverwaltung den Bau des Ringofens mit Schornstein und zwei flankierenden Trockenschuppen, das Kessel- und Maschinenhaus mit Locomobile, für das Wohnhaus für Ludwig Roßbach und seine Familie sowie die Wohnungen für Arbeiter. Den Plan für den Ringofen erstellte der Baumeister "Peter Koppa" aus Weisenau. Über ihn ist Weiteres nicht bekannt. Möglicherweise war er Spezialist im Bau von Ringöfen. Die Pläne für die Wohnbauten fertigte Heinrich Schneider IV aus Bretzenheim. Auch er ist ansonsten unbekannt. Die Antragsteller hatten geplant, falls die Baugenehmigung zügig erteilt würde, noch vor dem Wintereinbruch größere Mengen von Ton abzubauen und im Freien zu lagern, damit sie durch Überfrieren auf natürliche Weise zerkleinert würden. Im Frühjahr des folgenden Jahres sollten dann Produktion und Brennen der Steine erfolgen. Zudem hatten sie sich um die Konzession zum Bau des Ringofens nach dem Hoffmann'schen Patent zu bemühen.

Ziegelei Roßbach, Planung zur Baueingabe, 1904
Ziegelei Roßbach, Planung zur Baueingabe, 1904.[Bild: Ziegeleimuseum]

Im Oktober 1904 erteilte die Kreisverwaltung die Baugenehmigung für den Ringofen, das Wohnhaus sowie für die Unterkünfte für Arbeiter an der Pariser Straße. 1905 folgte die Genehmigung zur Aufstellung der Locomobile (Dampfmaschine auf einem Dampfkessel) im Kessel- und Maschinenhaus. Sie sollte von der Württembergischen Lokomobil-Fabrik Assmann & Stock der GmbH in Stuttgart-Cannstatt geliefert werden. Im Frühjahr 1906 waren Ringofen, Maschinenhaus und die Wohnungen fertiggestellt.

Die neue Ziegelei hatte Erfolg und warf gute Gewinne ab. Der Erfolg scheint Roßbach bewogen zu haben, sich im Betrieb immer mehr zum eigentlichen Herren aufzuspielen und Tremmel an die Wand zu drängen. Als Ergebnis dieses Streites trennten sich beide Partner 1910. Tremmel wurde gemäß Vertrag die Hälfte des Gewinns ausgezahlt und er schied aus. Roßbach führte die Ziegelei ab 1912 allein weiter und machte sie zur drittgrößten in Mainz. Neben den Ziegeleien Marx in Laubenheim mit einer Jahresproduktion von 10,7 Millionen Steinen und Reichardt in Hechtsheim mit einer Jahresproduktion von 8 Millionen Steinen stand die Ziegelei Roßbach mit 5,7 Millionen Steinen an dritter Stelle in Mainz. Tremmel investierte sein Geld in die Laubenheimer Ziegelei Marx und wurde deren Verwalter.

Das Wachstum der Ziegelei wurde offenbar auch durch die Auswirkungen der Inflation nicht aufgehalten: 1921 wurde ein Ökonomie- und Scheunengebäude, 1922 eine Garage mit fünf Stellplätzen errichtet und 1924 ein Stall an der Landstraße zur Werkstatt umgebaut. Nachdem um 1924 an der Pariser Straße der Transformatorenturm erbaut und damit der Anschluss an das örtliche Stromnetz nach Bretzenheim durch eine Freileitung vollzogen war, konnte der Maschinenpark der Ziegelei auf den Betrieb durch Elektromotoren umgestellt werden. 1928 wurde der Ringofen um eine Achse nach Südosten verlängert und reichte nun bis an das Maschinenhaus. Von den 1930er Jahren an war Ludwig Roßbachs Sohn Josef Roßbach an der Ziegelei beteiligt. Die Investitionen gingen weiter: 1934 wurde das Wohnhaus durch einen Anbau vergrößert. Dazu erhielt das gesamte Haus eine Warmwasserheizung. In das Scheunengebäude mit Stallungen im Erdgeschoss wurden 1939 Dusch- und Waschräume für die Arbeiter sowie im Obergeschoss ein Aufenthalts- und Essraum eingerichtet. 1942 wurde in die Freifläche vor der großen Scheune ein unterirdischer Luftschutzraum eingegraben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, den die Ziegelei unbeschadet überstanden hatte, lief die Ziegelproduktion wieder an und konnte durch große Nachfrage aus dem Mainzer Stadtgebiet und dem Umland noch gesteigert werden. Mit einem Stammpersonal von 23 bis 30 Arbeitern konnten täglich bis zu 30.000 Ziegel gebrannt werden. Die Ziegelei produzierte ausschließlich Mauerziegel, meist gelblich, manchmal auch rötlich in Abhängigkeit vom Ton, der je nach Schicht etwas variierte. Die gelben Ziegel waren härter und formbeständiger als die rötlichen.

Nach dem Tod von Josef Roßbach im Jahre 1954 übernahm sein Sohn, Rechtsanwalt Ludwig Roßbach, die Fabrik. Gleichzeitig waren neue Auflagen im Brandschutz zu erfüllen: Seit 1950 hatten die Berufsfeuerwehr und das Mainzer Bauaufsichtsamt gefordert, dass im Falle eines Brandes eine ausreichende Menge von Löschwasser vorhanden sein müsse (300–400 Kubikmeter), und diese Forderung immer wieder erneuert. Dies veranlasste im Jahre 1957 die Firma Roßbach, den Bau eines Feuerlöschteiches durch das Statikbüro Bung planen zu lassen. Diese Pläne legte sie dem Bauaufsichtsamt vor, betonte aber, dass sie diesen Teich nur mit Zuschüssen der Stadt Mainz und der Hess. Brandversicherungskammer bauen könne. Die Bauaufsicht drohte mit Zwangsgeld, wenn nicht bald gebaut würde. Daraufhin schlug die Firma die Umnutzung des auf dem Gelände vorhandenen Bunkers (100 Kubikmeter) zum Löschteich vor. Die Bauaufsicht willigte ein.

Weiterhin wurde 1959 unmittelbar neben dem Schornstein eine neue Trockenanlage erbaut. Mit Hilfe der Kühlluft des Brennofens sollten hier die Rohlinge getrocknet werden.                              

Doch inzwischen war in Deutschland die große Zeit der Ziegeleien vorüber. Denn sie konnten der Konkurrenz neuer Baustoffe, vor allem des Betons, wirtschaftlich nicht mehr standhalten. Zudem gingen die Tonvorräte zu Ende und mit dem Tunnelofen war inzwischen ein rationelleres Brennverfahren eingeführt worden, das den Ringofen ablöste. So wurde 1972 in der Ziegelei Roßbach die Ziegelproduktion eingestellt.


Nutzung des Geländes

Nun begann eine öffentliche Diskussion um die zukünftige Nutzung des Firmengeländes als Gewerbegebiet oder seine Einbeziehung in eine große Grünzone. Noch im gleichen Jahr trat der Mainzer Architekt Heinz Laubach, zusammen mit einem Bauträger, mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit, die Ziegelei abzubrechen und mit einem Dienstleistungszentrum zu bebauen. Es sollte aus drei bis zu 23-stöckigen Hochhäusern mit Büro- und Hotelnutzung, einem Einkaufszentrum sowie einer Badelandschaft bestehen. Das Baudezernat lehnte die Anfrage unter Hinweis auf die Erhaltung der landschaftlichen Situation des Tales ab, ebenso wie die Anfrage zum Verkauf an eine große Baustoffhandlung. Nach erneuten Diskussionen in der Öffentlichkeit, unterstützt durch den Arbeitskreis der Volkshochschule Bretzenheim "Bürger erarbeiten Planungsvorschläge für die Ziegelei Roßbach", schälte sich ab 1976 die Nutzung des ganzen Wildgrabentales unter Einbeziehung der Ziegelei als große öffentliche Grünzone heraus. Erstmals tauchte auch das Argument auf, dass es sich bei den umfangreichen Resten der Ziegelei um ein bedeutendes überregionales Industriedenkmal handele. So wurden im Flächennutzungsplan und im Landschafts- und Grünordnungsplan der Stadt Mainz das ehemalige Firmengelände sowie Tongruben als Naherholungsgebiet festgeschrieben.

Vor dem Hintergrund dieser großen Bürgerbewegung kaufte die Stadt Mainz am 21.11.1978 das Grundstück von 190.000 Quadratmetern. Hiermit sollten die Ziegelei und die weitläufige Tongrube in ihrem Baubestand erhalten und zu einer Freizeitanlage werden. Unter Federführung der ehemaligen Bretzenheimer Ortsvorsteherin Marie Luise Bonn und durch die Mithilfe zahlreicher Freiwilliger wurde das Ziegelareal in den Jahren 1997 bis 2005 instandgesetzt. Nach Planungen des Architekten Rolf Peter Hennes und mit Unterstützung durch den Wasserbauingenieur Christian v. Kaphengst und den Holzbausachverständigen Uwe Rummeney wurde der Dachstuhl über der Ziegelei instandgesetzt und der gesamte Dachraum zur Aufnahme des Ziegelmuseums eingerichtet. Der Fußboden wurde aus wassergebundenem Kies und Lehm hergestellt, die Giebel und die Traufzonen wurden verglast sowie im Dachraum und im Ringofen eine Beleuchtung installiert. Die Kosten der umfangreichen Sanierungsarbeiten beliefen sich auf 162.000 Euro. Sie wurden durch Mittel der Stadt Mainz, der Landesdenkmalpflege, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und Eigenmittel finanziert. 1985 wurde der gemeinnützige "Verein der Ziegeleifreunde Mainz e.V." gegründet.

Inzwischen hat sich das Ziegeleigelände zu einer der beliebtesten Mainzer Freizeitadressen entwickelt. Radfahrer, Spaziergänger und Wanderer machen hier an den Wochenenden Station. Kinder und Jugendliche können sich auf dem Kinderspielplatz, an der Kletterwand, in den alten Gemäuern und in dem naturbelassenen Freigelände austoben. Unzählige Festlichkeiten von Familien, Freunden, Firmen und Vereinen wurden seitdem unter dem großen Dach neben dem Ringofen gefeiert. Die dabei gesammelten Spenden bilden den Etat des Vereins der Ziegeleifreunde, der dadurch notwendige Renovierungen, wie z.B. der früheren Arbeiterwohnungen, mitfinanzieren konnte.

Auf dem Gelände werden zahlreiche Bildungs- und Freizeitaktivitäten wie Schauspielschule, Künstlerateliers, der private Kindergarten einer Elterninitiative, VHS-Kurse, eine Fahrradwerkstatt und seit 2005 über dem Brennofen das Ziegelmuseum betrieben. Der BUND (Kreisgruppe Mainz-Stadt) engagiert sich bereits seit mehr als 30 Jahren auf dem Gelände der "Alten Ziegelei". Von anfänglichen Planungen, Pflegemaßnahmen, Workshops, Naturerlebnisführungen für Kinder bis hin zur Einrichtung eines Naturlehrpfades reicht die Palette der Aktivitäten. Über die Jahre haben sich auf den ehemaligen Abbauflächen zahlreiche unterschiedliche Lebensräume entwickelt. Die "Alte Ziegelei" bietet somit die einmalige Chance für Kinder und Erwachsene, die Natur zu erleben.  

Leben und Arbeiten in der Ziegelei

Man sollte meinen, nur noch die erhaltenen Bauten und wenige schriftliche Quellen könnten heute den Besuchern etwas über die 1972 stillgelegte Ziegelei sagen. Aber es gelang Klaus Ewe, "Ziegeldirektor" des Museums, in den Jahren 2000 bis 2002 durch Befragung ehemaliger Mitarbeiter der Firma oder ihrer Nachkommen vieles über die persönlichen Umstände der Arbeiter und die Arbeitsabläufe auf der Ziegelei zu erfahren und sie damit im Sinne von "Oral History" zum Leben zu erwecken.

Ludwig Anselm Roßbach nach der Jagd, um 1950.
Ludwig Anselm Roßbach nach der Jagd, um 1950.[Bild: Ziegeleimuseum]

Ludwig Roßbach war nach Aussagen seiner Enkelin Anneliese D. eine sehr stattliche und imposante Erscheinung und gehörte zu den Honoratioren von Bretzenheim. Ihre Großmutter dagegen sei klein und rundlich gewesen, kaum größer als 1,60 m groß, aber gleichwohl energisch und resolut. Mitarbeiter Helmut J. berichtete, dass Roßbach auch Eigenschaften eines Lebemanns hatte. Er sei häufig auf die Jagd gegangen, und seine Arbeiter hätten ihn nur selten zu Gesicht bekommen. Wenn er kam, lief er morgens kurz durch die Fabrik. Er hatte einen BMW mit Anhänger, mit dem er alles transportierte, was in der Ziegelei benötigt wurde. Er führte den Ziegeleibetrieb wie ein Patriarch, was ihn aber nicht daran hinderte, immer wieder Zeichen der Fürsorge gegenüber seinen Mitarbeitern und deren Familien zu zeigen. Der schönste Tag im Jahr sei die Weihnachtsbescherung gewesen, wie sich Heinrich W. erinnerte: Frau Roßbach habe sich schon vorher bei Mutter W. nach den Konfektionsgrößen ihrer Kinder erkundigt und entsprechende Kleidung eingekauft.

Von den 1930er Jahren an war Ludwig Roßbachs Sohn Josef Roßbach an der Ziegelei beteiligt. Er bewohnte mit seiner Familie zunächst eine Wohnung in Bretzenheim und später, nach der Geburt seines Sohnes Ludwig im Jahre 1927, das Obergeschoss des Wohnhauses in der Ziegelei. Auch Josef Roßbach zeigte gegenüber seinem Sohn Ludwig eine gewisse Strenge, was die Einstellung zur Arbeit anging. Während des Jurastudiums musste Ludwig in der Ziegelei arbeiten und dies ab 6 Uhr morgens. Weil Ludwig gern Tennis spielte, wurde ihm vom Vater eingeschärft, dieses die Arbeiter der Ziegelei nicht merken zu lassen.

Die Ziegelei Roßbach verkaufte die Steine in einem weiten Einzugsbereich bis nach Worms, Oppenheim und Ludwigshafen. Aber auch viele Häuser in den Mainzer Vororten Bretzenheim, Marienborn und Hechtsheim wurden in den 1920er Jahren und nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Ziegeln von Roßbach gebaut. In den Jahren des Ersten Weltkrieges trat Herr Weyer sen. in den Betrieb ein. Er war für den Betrieb der Lorenzüge und die Auslieferung der Steine verantwortlich. Dabei wurden die Wagen von zwei Pferden gezogen. Wenn er eine Ladung Ziegel nach Ingelheim zu transportieren hatte, brach er morgens um 5 Uhr auf und kam um 18 Uhr zurück. Weyer wohnte mit Frau und neun Kindern im Arbeiterwohnhaus. Die spartanische Wohnung hatte weder fließendes Wasser noch Elektrizität. Zur Beleuchtung wurden Kerzen benutzt. Mutter Weyer pflegte nebenbei den Garten der Ziegelei, der mit Rosenbeeten, Rasenflächen und Sitzecken ausgestattet war, und half in der Landwirtschaft, die von Familie Roßbach in relativ großem Umfang um die Ziegelei herum betrieben wurde. Es wurden Getreide, Kartoffeln und Rüben angebaut. Sohn Heinrich W., der Berichterstatter, wurde im Jahre 1921 im Arbeiterwohnhaus geboren. Er begann nach dem Ende seiner Schulzeit 1936 mit 15 Jahren als Arbeiter in der Ziegelei und war dort nach seiner Zeit als Soldat und in russischer Kriegesgefangenschaft erneut ab 1950 tätig. Später wurde er Werksleiter. Er war auf der Ziegelei u.a. für die Kontrolle des gesamten Befeuerungssystems des Brennofens zuständig. 

Der Mitarbeiterstab der Ziegelei Roßbach, um 1950.
Der Mitarbeiterstab der Ziegelei Roßbach, um 1950.[Bild: Ziegeleimuseum]

Heinrich M., geboren 1903 in der Nähe von Detmold, war am Ende der 1920er Jahre ins Rheinland gezogen, war in Andernach zum Ziegelsteinbrenner ausgebildet worden und hatte Anfang der 1930er Jahre seine Arbeit in der Ziegelei Roßbach aufgenommen. Seine Aufgabe war das Befeuern des Ringofens. Dabei war er täglich zwölf Stunden rund um die Uhr im Einsatz. In den 1930er Jahren waren von März bis Oktober Wanderarbeiter aus Thüringen in der Ziegelei tätig. Sie belegten neben der Familie W. die übrigen Arbeiterwohnungen.

Auch Hermann K., Jahrgang 1922, berichtete von harten Arbeitsbedingungen auf der Ziegelei, als er dort von 1940–1942 als Kraftfahrer tätig war. Der Transport der Steine zwischen Lager und den bereitstehenden Lastkraftwagen erfolgte mit kleinen Holzkarren, jeweils mit 100 Ziegeln beladen. Diese schwere Arbeit erfolgte zunächst durch tschechische, polnische und französische Kriegsgefangene und wurde später von jungen russischen Zwangsarbeiterinnen durchgeführt. Zwei bis drei Mal täglich brachte Hermann K. 5.000 Steine zu Kunden im Mainzer Stadtgebiet und in die Umgebung. Auch Oppenheim, Worms und Ludwigshafen waren seine Ziele. 

Ziegelei Roßbach, Luftbild, um 1950.
Ziegelei Roßbach, Luftbild, um 1950.[Bild: Ziegeleimuseum]

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Ziegelei schnell wieder produzieren, zumal keine Gebäude bei den Angriffen auf Mainz zerstört worden waren. Die Belegschaft bestand nun aus 25-30 Arbeitern, die vielfach aus den umliegenden Dörfern kamen. Sie fuhren mit der Eisenbahn bis nach Marienborn und stiegen dort auf ihr Fahrrad, später auch auf ihr Moped um. Ihr Arbeitstag begann um 5 Uhr und endete um 17 Uhr, dauerte also zwölf Stunden. In der Herbst- und Winterzeit wurde die Ziegelherstellung ausgesetzt, da die Ziegel nicht mehr trocknen konnten. Dann waren die Arbeiter vier Monate lang arbeitslos.

Unter den Beschäftigten jener Jahre war auch Johann Jakob K., Jahrgang 1926. Er arbeitete acht Stunden am Tag im Akkord. Seine Aufgabe bestand darin, die gebrannten Ziegel aus dem Brennofen zu holen und die auf Schienen rollenden kleinen Wägen damit zu beladen, jeweils 300 Stück pro Wagen. Es war "eine Knochenbrecherarbeit", wie er berichtete. Daher wurden die Arbeiter, die im Ringofen arbeiteten und die Ziegel ausräumten, nach drei Tagen durch andere ersetzt. Dass das Ausräumen der gebrannten, aber noch heißen Ziegel schwere und gefährliche Arbeit war, davon berichtet auch Helmut J., Jahrgang 1931 und von 1948 bis 1958 auf der Ziegelei tätig. Es arbeiteten vier Mann, die sich jeweils zu zweit abwechselten, in einer Schicht. Die Temperaturen in den Ringofenkammern betrugen 60-70 Grad. Zum Schutz für die Hände hatten sich die Arbeiter eine Schutzvorrichtung aus Autoschläuchen gebastelt. 

Rundgang durch das Gelände

Situationsplan der Ziegelei Roßbach, Zustand um 1970:  1 Ringofen / 2 Maschinenhaus / 3 Wohnhaus Roßbach / 4 Arbeiterwohnungen / 5 Garagen / 6 Scheunen / 7 Kasino / 8 Kohlenlager / 9 Trockenschuppen / 10 Trafostation
Situationsplan der Ziegelei Roßbach, Zustand um 1970:
1 Ringofen / 2 Maschinenhaus / 3 Wohnhaus Roßbach / 4 Arbeiterwohnungen / 5 Garagen / 6 Scheunen / 7 Kasino / 8 Kohlenlager / 9 Trockenschuppen / 10 Trafostation
[Bild: Paul-Georg Custodis]

Obwohl die Stilllegung der Ziegelei inzwischen ein halbes Jahrhundert zurückliegt, lassen sich nach Bildern und Berichten von ehemaligen Betriebsangehörigen die Arbeitsabläufe auf der Ziegelei, so wie sie bis in den 1960er Jahren stattfanden, rekonstruieren: Wie alle Mainzer Ziegeleien hatte auch die Ziegelei Roßbach ihre Lehmgruben  in unmittelbarer Nähe der Fabrikgebäude. Das Gelände, zunächst ca. 80.000 Quadratmeter zwischen der Pariser Straße und dem Geländerand am Abfall zum Wildgrabental, wurde vor und nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zukauf benachbarter Parzellen auf die doppelte Größe erweitert. Mit einem Löffelbagger wurde der Lehm bis zu zehn Meter tief abgegraben. Noch heute lassen sich die Niveauunterschiede zwischen dem gewachsenen Gelände und der tieferen Talsohle in der Landschaft ausmachen. Das maschinell betriebene Ausbaggern bedeutete gegenüber dem bisher praktizierten Abstechen mit Pickel und Spaten eine enorme Erleichterung.


Abbau des Lehms in der Grube mit Löffelbagger.
Abbau des Lehms in der Grube mit Löffelbagger.[Bild: Ziegeleimuseum]

Danach wurden die Lehmbrocken in bereitstehende Loren gefüllt. Sechs bis acht Loren wurden zu einem Zug zusammengestellt und zunächst von einem Pferd zur Ziegelei gezogen. Später wurden diese Zugarbeiten von einer Diesellok übernommen. Von einem weiteren Pferd wurden jeweils zwei Loren auf der Rampe in das Obergeschoss des Maschinenhauses gebracht. Später wurden jeweils drei Loren mit einer Seilwinde die Rampe hinaufgezogen. Zur Weiterverarbeitung wurde sodann der Inhalt der Loren auf den "Schicker", ein langsam laufendes Fließband, ausgeleert. Mit Hilfe von Greifarmen gelangten die Lehmbrocken nun in eine Walze und wurden zerkleinert. Dann wurden Verunreinigungen wie Gras und Steine, nach dem Zweiten Weltkrieg auch Flaksplitter, ausgesondert.

Die mit Lehm gefüllten Loren werden über die Rampe zum Maschinenhaus befördert.
Die mit Lehm gefüllten Loren werden über die Rampe zum Maschinenhaus befördert.[Bild: Ziegeleimuseum]

Die Loren werden in einen Bottich entleert.
Die Loren werden in einen Bottich entleert.[Bild: Ziegeleimuseum]

Der nächste Schritt war das Aufbereiten des Lehms mit Wasser in einem großen Bottich. Durch Rühren und unter Zugabe von mineralischen Zuschlagsstoffen, u.a. auch Mutterboden aus dem Feld, wurde der Ton zu einem sämigen Brei aufbereitet. 

Aus dem rechteckig geformten Strang werden mit Drähten die Steine abgeschnitten.
Aus dem rechteckig geformten Strang werden mit Drähten die Steine abgeschnitten.[Bild: Ziegeleimuseum]

Der Lehmbrei wurde nun mit Hilfe eines Fallrohres in das Erdgeschoss abgelassen und mit einer spindelförmigen Walzenpresse durch ein sich verjüngendes Rohr geführt und zu einem rechteckigen Strang im Ziegelformat geformt. Sodann schnitten drei parallele Drähte automatisch drei Rohlinge im sogenannten "Reichsformat" mit den Abmessungen von 24 cm x 11,5 cm x 6,3 cm (nach dem Zweiten Weltkrieg durch das "Normalformat" mit einer Steinhöhe von 7,1 cm ersetzt) vom Strang ab. Der Antrieb der Maschinen erfolgte zunächst mittels einer mit Kohlen gefeuerten Locomobile (Dampfmaschine auf einem Dampfkessel) der Württembergischen Lokomobil-Fabrik Assmann und Stockder GmbH, Stuttgart Cannstatt, später mit einem Elektromotor, die Kraftübertragung mit Transmissionsriemen und Gestänge.

Die Rohlinge der Ziegelei Roßbach werden zum Weitertransport verladen, 1950.
Die Rohlinge der Ziegelei Roßbach werden zum Weitertransport verladen, 1950.[Bild: Ziegeleimuseum]

Die zugeschnittenen Rohsteine wurden per Hand auf einen Wagen geladen. Der Wagen bestand aus vier Brettern, die mit einem Lappen eingeölt wurden, damit der Lehm nicht festklebte. Jedes Brett fasste 4 x 3 Rohlinge. Wenn eine Seite beladen war, wurde der Wagen auf einer Drehscheibe umgedreht und die Gegenseite gefüllt. Dies ging mit hoher Geschwindigkeit vor sich und verlangte große Konzentration. 

Rohlinge werden in die Trockengestelle gefahren, 1950 (links); Trockengestell, 1978 (rechts).
Rohlinge werden in die Trockengestelle gefahren, 1950 (links); Trockengestell, 1978 (rechts).
[Bild: Ziegeleimuseum]

Trockengestell, 1978.
Trockengestell, 1978.[Bild: Ziegeleimuseum]

Der beladene Wagen wurde dann draußen auf einer Schiebebühne zu den Trockengestellen gefahren, die rohen Steine dort zum Trocknen aufgeschichtet. Zahlreiche dieser Gestelle haben sich im unmittelbaren Umkreis des Ringofens erhalten. Um den Prozess des Trocknens von der Witterung unabhängig zu machen, wurden zusätzlich zahlreiche Steine in Trockengestellen in den Seitenflächen über dem Ringofen eingelagert. Sie wurden über eine Rampe, wo sich jetzt die Treppe zum hinteren Eingang der Ziegelei befindet, per Seilwinde hochgezogen. Dieses Verfahren wurde seit dem späten 19. Jahrhundert bei zahlreichen Ringöfen angewandt. 

Brennofen, 2020 (links); Im Ziegelringofen, 1978 (rechts).
Brennofen, 2020 (links); Im Ziegelringofen, 1978 (rechts).[Bild: Paul-Georg Custodis (links), Ziegeleimuseum (rechts)]

Brennen im Ziegelringofen

Die Brennkammern werden mit luftgetrocknetenZiegeln gefüllt.
Die Brennkammern werden mit luftgetrocknetenZiegeln gefüllt.[Bild: Ziegeleimuseum]

Nachdem die Ziegel je nach Witterung zwischen zwei und vier Wochen in den Gestellen getrocknet waren, kam der wichtigste Arbeitsschritt, das Brennen. Hier hatte sich seit der Mitte des 19. Jahrhundert die Technik erheblich weiterentwickelt und eine Steigerung der Produktion bewirkt: Der Berliner Baumeister Friedrich Hoffmann und der Danziger Stadtbaurat Julius Albert Gottlieb Licht, ehemals Studienkollegen an der Berliner Bauakademie, hatten gemeinsam einen neuen Typ von Brennofen entwickelt. Dabei wurden die luftgetrockneten Steine nicht mehr in einer Kammer, sondern in einem ringartigen Ofen mit zentralem Brennkanal gebrannt. Im Jahre 1858 hatte der "Hoffmann'sche Brennofen" das Patent für Preußen und Österreich erhalten. Dieser Ofentypus hatte sich ab 1864 wegen seiner Wirtschaftlichkeit schnell durchgesetzt und wurde für die folgenden 100 Jahre marktbeherrschend. Allerdings hatte Hoffmann bereits ab 1864 die kreisrunde Ofenform durch eine noch wirtschaftlichere oblonge Form ersetzt. Der Ofen arbeitete in ununterbrochenem Brennbetrieb in einem in sich geschlossenen Brennkanal. Die Befeuerung erfolgte durch die gewölbte Ofendecke. Mit derartiger Brenntechnik konnten Ziegel in größeren Mengen hergestellt und gleichzeitig Brennstoff gespart werden.

Die Ziegel werden nach dem Brand ausgefahren.
Die Ziegel werden nach dem Brand ausgefahren. [Bild: Ziegeleimuseum]

Der 1904 erbaute Ringofen der Ziegelei Roßbach zeigt eine Weiterentwicklung des runden Brennofens zu der ovalen Form mit 2 x 9 Einfüllöffnungen. Alle Brennkammern werden hierbei mit luftgetrockneten Ziegelrohlingen gefüllt und lagenweise mit Luftzwischenräumen aufgestapelt. Senkrecht eingeführte Setzstangen aus Holz halfen, senkrechte Heizschächte zwischen den gestapelten Steinen für die spätere Befeuerung freizuhalten. Auf diese Weise konnte eine Brennkammer bis zu 30.000 Steine fassen. Wenn eine Brennkammer mit Steinen gefüllt war, wurde die rundbogige Außenöffnung zweischalig vermauert, innen mit Schamottsteinen, außen mit normalen Ziegeln. Dazwischen wurde zur Isolierung Sand oder Asche eingefüllt. Von außen wurde die Öffnung am Ende mit Lehm verputzt, damit keine Nebenluft hereinkam. 

Befüllen einer Brennkammer, 1950.
Befüllen einer Brennkammer, 1950.[Bild: Ziegeleimuseum]

Nun wurde in die erste Brennkammer von oben feinkörnige Kohle als Brennmaterial eingefüllt. Sie sackte bis auf den Boden ab und verteilte sich gleichmäßig zwischen dem Brenngut. Dann wurde von unten das Feuer entzündet. Nachdem es etwa einen Tag lang dort gebrannt hatte, wurde in die Nachbarkammern ebenfalls von oben Brennmaterial geschüttet. Es entzündete sich bei steigender Temperatur von selbst. So folgten in zeitlichem Abstand die dritte und vierte Kammer und so weiter.

So wanderte das Feuer rund acht Tage lang kontinuierlich von Kammer zu Kammer, ohne auszugehen. Während die von außen zugeführte Frischluft die noch heißen Ziegel der ersten Kammer abkühlen lässt, erwärmen deren Abgase bereits die luftgetrockneten Steine der Nachbarkammer. 

Auf der Schürebene über dem Brennofen, 1978.
Auf der Schürebene über dem Brennofen, 1978.[Bild: Ziegeleimuseum]

Auf der flachen Schürebene über dem Ringofen war das Reich des Heizers, des wichtigsten Mannes in der Ziegelei. Seine Aufgabe war das Befüllen der Brennkammern mit Kohle und die Steuerung der Luftzufuhr. Zur Ableitung der Brenngase und der Wanderrichtung des Feuers dienten sogenannte Füchse, Luftkanäle im Brennofen, die durch Ventile, sogenannte Glocken, reguliert wurden. Die Eisenwendeln zur Bedienung dieser Kanäle sind jetzt noch zu sehen, allerdings ohne die entsprechenden Hebel. Durch diese Luftkanäle wurden auch die Abgase in den Schornstein abgeleitet. Die Brenntemperatur der Feuerzone betrug ca. 1.000 °C. Der Ringofen musste kontinuierlich Tag und Nacht beheizt werden, ein gesamter Durchlauf nahm etwa acht Tage in Anspruch. Hierbei arbeiteten zwei Heizer in der gesamten Brennsaison an Werktagen und Sonntagen jeweils zwölf Stunden, rund um die Uhr. Die Schürebene über dem Ringofen wurde durch ein ausladendes, flachgeneigtes Dach gegen Regen und Witterung geschützt.

Ziegelei mit Maschinenhaus und Schornstein, von Süden, 2019.
Ziegelei mit Maschinenhaus und Schornstein, von Süden, 2019.[Bild: Paul-Georg Custodis]

An der östlichen Längsseite des Ringofens wurde aus roten Ziegelformsteinen der 30 Meter hohe Schornstein errichtet. Neben seiner Aufgabe zur Abführung der Verbrennungsgase sollte er auch von Weitem als eine Art Landmarke den Standort der Ziegelei anzeigen. Aus Gründen der Stabilität erhielt er mehrere Zugbänder aus Stahl. Er verläuft nach oben konisch und wurde im Sinne einer antiken Säule mit Basis und Abschlussgesims gestaltet. Mit dem Ofen wurde er durch einen unterirdischen Rauchkanal, in der Baufachsprache "Fuchs" genannt, verbunden. Obwohl seit der Stilllegung der Ziegelei immer wieder die Standsicherheit des Schornsteins angezweifelt worden war, konnte sie im Jahre 1979 durch ein Gutachten des Mainzer Büros Prof. Dr.-Ing. Paschen und Partner bestätigt werden. Allerdings wurde die Spitze des Schornsteins dabei um sechs Meter gekürzt. 

Ziegelei Roßbach. Blick auf das Arbeiterwohnhaus und das Wohnhaus Roßbach, um 1972.
Ziegelei Roßbach. Blick auf das Arbeiterwohnhaus und das Wohnhaus Roßbach, um 1972.[Bild: Ziegeleimuseum]

Direkt an der Pariser Straße wurde das Wohnhaus für den Ziegeleibesitzer Ludwig Roßbach und seine Familie errichtet (im Schemaplan 3, jetzt der Sitz des Verwalters der Ziegelei). Hier war auch das Lohnbüro der Firma. Es folgte entlang der Pariser Straße das Arbeiterwohnhaus (im Schemaplan 4, heute Ort für VHS-Kurse und Büro der Schauspielschule). Daneben war eines der zwei Werkstore, heute noch durch die beiden Torflügel aus Eisenblech deutlich.

Ehemaliges Kasino (links) und Stallgebäude (rechts), 2019.
Ehemaliges Kasino (links) und Stallgebäude (rechts), 2019.[Bild: Paul-Georg Custodis]

Im rechten Winkel zum Wohnhaus wurden der Garagenbau und das Scheunen- und Stallgebäude errichtet (im Schemaplan 5 und 6, heute Sitz der Schauspielschule). Hier wurden ursprünglich die Pferde für die Ziegeltransporte untergestellt. Hinter beiden Gebäuden liegt, auf dreieckiger Fläche und heute ungeordnet, der ehemalige Blumen- und Gemüsegarten der Familie Roßbach. Gegenüber befindet sich das ehemalige Kasino der Ziegelei, das im Erdgeschoss Dusch- und Waschräume für die Arbeiter sowie im Obergeschoss einen Aufenthalts- und Essraum enthielt (im Schemaplan 7, jetzt durch Toiletten, Küche und Büroräume genutzt). In dem unmittelbar angebauten großen Schuppen (im Schemaplan 8) wurde die Kohle für den Ringofen gelagert. In der äußersten Westecke des Firmengeländes wurden an der Pariser Straße ein weiterer Schuppen (im Schemaplan 10, heute Fahrradwerkstatt des CJD) und der Trafoturm erbaut. Hier befand sich ein weiteres Werkstor der Ziegelei. 

Bedeutung der Ziegelei

Von den zahlreichen Ziegelringöfen, die in Deutschland nach dem Hoffmann'schen Patent gebaut wurden, sind heute nur noch wenige übrig geblieben. Nur der Ringofen der Ziegelei in Glindow bei Werder in Brandenburg, ein runder Hoffmann'scher Ofen aus der Zeit um 1885, arbeitet noch. Hier werden Ziegel nach historischen Vorlagen zur Restaurierung denkmalswerter Gebäude gebrannt. Dagegen werden Ringöfen in Bayern (1), Brandenburg (1), Mecklenburg (1), Niedersachsen (1), Westfalen (3), Sachsen (2) und Sachsen-Anhalt (2) museal präsentiert. In Rheinland-Pfalz haben sich in Rheinbreitbach, Jockgrim und in Germersheim-Sondernheim Ziegelringofen erhalten. Der Ofen in Sondernheim wird museal betrieben. In Jockgrim dient der alte Ringofen der Firma Ludowici als Sockelgeschoss des modernen Rathauses.

Die Mainzer Ziegelei Roßbach ist die letzte, die aus einer Reihe ähnlicher Betriebe in Mainz erhalten geblieben ist. In ihrem 1904/05 errichteten Ringofen wurden bis 1972 täglich bis zu 30.000 Ziegel in industrieller Großfertigung hergestellt. An der Mainzer Ziegelei Roßbach kann neben der Ziegelei in Germersheim-Sondernheim exemplarisch die industrielle Ziegelfertigung im Umkreis großer Städte an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert dargestellt werden. Deshalb wurde die Ziegelei im Jahre 1992 aus technikgeschichtlichen Gründen als Denkmalzone nach dem rheinland-pfälzischen Denkmalschutz- und Pflegegesetz ausgewiesen und 2004 unter die Objekte der "Route der Industriekultur Rhein-Main" aufgenommen.